Die Colitis ulcerosa ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die in der Regel im Rektum beginnt und sich von dort aus kontinuierlich bis maximal in den Dickdarm (Kolon) ausbreitet. Dabei bleibt die Entzündung auf die Dickdarmschleimhaut mit Mucosa und Submucosa beschränkt. Die Prävalenz (Häufigkeit) der Erkrankung liegt in Deutschland bei etwa 160-250 Patienten pro 100.000 Einwohner. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 16 und 25 Jahren. Der Verlauf ist chronisch-rezidivierend mit zwischenzeitlichen Phasen der Remission (temporäres oder dauerhaftes Nachlassen der Krankheitssymptome ohne Erreichen der Genesung). Eine sinnvolle Klassifikation der Colitis ulcerosa wird nach der Ausdehnung der Erkrankung vorgenommen. Danach unterscheidet man die Proktitis (Entzündung des Rektums), die Linksseitenkolitis und die schwere Kolitis mit Ausdehnung über die linksseitige Flexur (Biegung) des Dickdarms. Diese Einteilung hat Auswirkung auf die Art der Therapie (lokal/systemisch) und auf den Beginn eines Karzinomüberwachungsprogramms. Zahlreiche Faktoren spielen bei der Entstehung der Colitis ulcerosa eine Rolle. Aufgrund des guten Ansprechens auf Immunsuppressiva und Immunmodulatoren wird sie zu den Autoimmunerkrankungen gezählt, ohne den genauen Entstehungsmechanismus, bei dem am Ende eine TH-2-gesteuerte Immunantwort (TH = T-Lmphozyt-Helferzelle) überwiegt, zu kennen. Daneben scheinen Genmutationen wie z. B. im IL17REL-Gen eine wichtige Rolle zu spielen. Weiterhin werden eine krankhaft gesteigerte Immunreaktion gegen die Darmflora, Umwelteinflüsse und eine möglicherweise übertriebene Hygiene beim Patienten diskutiert. Die Ernährung und psychische Faktoren spielen bei der Entstehung keine Rolle, auch wenn im Verlauf der Erkrankung eben diese Faktoren gegebenenfalls in den Vordergrund rücken (müssen).
Der Beginn der Erkrankung kann schleichend mit Abgeschlagenheit und einem allgemeinen Krankheitsgefühl oder aber auch akut sein. Hauptsymptom sind schwere, rezidivierende Durchfälle 10-20 /Tag). Der Stuhl kann durch oberflächliche Schleimhautblutungen blutig sein. Weiterhin haben die Patienten häufig schmerzhafte Koliken. Die Lebensqualität wird durch Stuhlinkontinenz mit imperativem (= zwanghaftem) Stuhldrang erheblich eingeschränkt. Schwere Flatulenzen deuten auf bestehende Zuckerunverträglichkeiten (Sorbit, Fructose, Lactose) während eines Schubs hin. Im weiteren Krankheitsverlauf kann es zu extraintestinalen Manifestationen kommen, die die Lebensqualität darüber hinaus weiter einschränken. Besonders erwähnt seien hier Arthritiden, Augenmanifestationen (z. B. Skleritis = Entzündung der Lederhaut oder Uveitis = Regenbogenhautentzündung), Hauterkrankungen (z. B. Erythema nodosum) und Osteopenie bis hin zur manifesten Osteoporose. Eine Sonderstellung nimmt noch die primär sklerosierende Cholangitis (PSC, eine chronische Entzündung der Gallengänge) ein, da sie wegen der schnellen Progression zu einer Leberzirrhose einen erheblichen Einfluss auf die Therapie und die Prognose hat. Wichtige Komplikationen der Colitis ulcerosa sind das toxische Megacolon, einem akut lebensbedrohlichen Krankheitszustand mit starker Erweiterung des Dickdarm und Sepsis, sowie das kolorektale Karzinom, das die o. a. Vorsorgeuntersuchungen notwendig macht.
Bei der Diagnostik spielen Anamnese, das klinische Erscheinungsbild, Laboruntersuchungen sowie bildgebende Verfahren eine Rolle. Bei der Blutuntersuchung schaut man auf Entzündungsparameter (CRP =C-reaktive Protein, BSG = Blutkörperchensenkgeschwindigkeit), immunologische Marker (perinukleärer antineutrophiler cytoplasmatischer Antikörper = p-ANCA eher positiv, Anti-Saccharomyces-cerevisiae-Antikörper = ASCA negativ), Eisenwerte (Anämie bei chronischen Blutungen) und Transaminasen (Hinweis auf PSC mit Cholestase). Bei den bildgebenden Verfahren ist neben Röntgenkontrastmitteluntersuchungen und der Sonographie (Ultraschall) besonders die Endoskopie durch den Anus (Koloskopie) wichtig. Hierbei können Biopsien entnommen und der Grad der Entzündung sowie verdächtige Areale auf Präkanzerosen hin beurteilt werden. In der Histologie zeigen sich typischerweise sog. „Kryptenabszesse“ am Grund der Dickdarmschleimhaut. Differentialdiagnostisch müssen andere Kolitiserkrankungen, wie pseudomembranöse Kolitis (z. B. nach Antibiotika), infektiös bedingte Kolitis, ischämisch bedingte Kolitis oder Divertikel-bedingte Kolitis, ausgeschlossen werden. In manchen Fällen kann trotz der aufwändigen Diagnostik eine Abgrenzung zum Morbus Crohn schwierig sein.
Ziele einer Therapie sind eine Verringerung der Entzündungsaktivität, eine deutliche Linderung der Symptome und ein möglichst langfristiger Erhalt der Darmfunktion. Weiterhin gilt es, bei ausgedehnter Colitis ulcerosa frühzeitig mit einem Karzinomüberwachungsprogramm zu beginnen. All diese Ziele tragen zu einer Verbesserung der Lebensqualität und Lebenszeit des Patienten bei. Eine Heilung ist nicht möglich. Die Auswahl der möglichen Arzneistoffe richtet sich nach der Krankheitsaktivität, dem Befallsmuster im Verdauungstrakt, dem Vorhandensein von extraintestinalen Manifestationen, dem bisherigen Ansprechen auf vorhergehende Behandlungen sowie Begleiterkrankungen und potentieller unerwünschter Wirkungen der Arzneistoffe. Bei der Therapie muss man zwischen der Akuttherapie und der remissionserhaltenden Langzeittherapie unterscheiden. Die Akuttherapie richtet sich nach der Lokalisation der aktuellen Entzündung. Die Proktitis wird rektal mit 5- Aminosalicylaten (5-ASA) wie Mesalazin oder Sulfasalazin als Suppositorien, Schäume oder Einläufe behandelt. Bei Versagen kommen topisch anzuwendende Glucocorticoide wie Budesonid oder oral verabreichtes Mesalazin hinzu. Die Linksseitenkolitis sollte mit einer Kombination von rektal anzuwendenden 5-ASA-Präparaten (Einläufe, Schäume) und oral verabreichten 5-ASA-Präparaten behandelt werden. Dabei können Dosierungen >3 g/Tag notwendig werden. Persistieren blutige Durchfälle länger als 14 Tage, muss eine systemische Behandlung mit Glucocorticoiden wie Prednison oder Prednisolon in Betracht gezogen werden. Eine schwere Kolitis wird zunächst genauso wie die Linksseitenkolitis behandelt. Jedoch sollte die Behandlung bei schweren Diarrhoen, Fieber, Tachykardie, Anämie und sehr hohen Entzündungsparametern stationär durchgeführt werden. Eine unter Steroiden fortbestehende hohe Krankheitsaktivität spricht für einen steroidrefraktären Verlauf. Hier kommen dann starke Immunsuppressiva wie Ciclosporin A, Infliximab bzw. Alemtuzumab oder Tacrolimus zum Einsatz. Nach einem eventuellen Ansprechen wird dann auf Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin umgestellt. Das unter den Umständen einer oft mehrjährigen immunsuppressiven Therapie deutlich erhöhte Infektionsrisiko sollte dem Patienten bewusst sein. Bei Nichtansprechen muss eine chirurgische Resektion des betroffenen Areals vorgenommen werden. Eine Entfernung des gesamten Dickdarms ist dann mit der Anlage eines Anus praeter (künstlicher Darmausgang) verbunden. Die remissionserhaltende Langzeittherapie wird mit 5-Aminosalicylaten wie Mesalazin für mindestens 2 Jahre durchgeführt. Bei einem erneuten Schub unter der remissionserhaltenden Therapie muss die nächste remissionserhaltende Therapie erweitert werden. Hier bieten sich eine Erhöhung der ursprünglichen 5-ASA-Dosis, eine Kombination mit Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin oder eine Kombination mit Infliximab bzw. Alemtuzumab an. Eine symptomatische Schmerztherapie ist jederzeit mit Metamizol oder auch gegebenenfalls mit Opioiden möglich.
Der oft lange Verlauf und die starken Nebenwirkungen der Arzneistoffe führen oft zu einer umfangreichen Begleitmedikation. Weiterhin muss bei starker Krankheitsaktivität an Mangelzustände bzw. Mangelerscheinungen gedacht werden. Besonderes Augenmerk verdienen bei rezidivierenden Durchfällen der Wasserhaushalt, Natrium und Kalium. Bei blutigen Durchfällen müssen die Eisenwerte kontrolliert werden. Dabei kann ein Ersatz durch Eisenpräparate wegen deren schleimhautreizender Wirkung schwierig sein. Folsäuremängel entstehen bei der Langzeitgabe von Sulfasalazin. Das Serum-Calcium und die Knochendichte sollten bei langer Glucocorticoidtherapie kontrolliert werden.