Bei 6 bis 8 % aller Schwangerschaften treten hypertensive Erkrankungen auf. Sie sind für 20-25 % der perinatalen Mortalität bei Müttern verantwortlich und auch für das Ungeborene ergeben sich erhebliche Risiken. Die Inzidenz der Präeklampsie (= Gestose), einer Komplikation im Rahmen einer Schwangerschaftshypertonie, liegt in Europa bei 2 %. Man geht davon aus, dass in Europa mehr als 90 % der mütterlichen Todesfälle durch Präeklampsie bzw. Eklampsie vermeidbar sind.
Definitionsgemäß spricht man von einer Schwangerschaftshypertonie (= Gestationshypertonie), wenn nach der 20. Schwangerschaftswoche (= SSW) bei einer zuvor normotensiven Frau Blutdruckwerte > 140/90 mmHg ohne Proteinurie auftreten. Sie wird dadurch von einer chronischen Hypertonie, die präkonzeptionell oder vor der 20. SSW auftritt, abgegrenzt. Gefürchtet werden die im Rahmen einer Schwangerschaftshypertonie mögliche Präeklampsie und Eklampsie. Dabei bezeichnet die Präeklampsie das Auftreten einer Proteinurie (= vermehrt Eiweiß im Urin) bei bestehender Schwangerschaftshypertonie, bei einer Eklampsie kommen zusätzlich zur Proteinurie noch tonisch-klonische Krampfanfälle hinzu, die auf keine andere Ursache zurückzuführen sind. In bis zu 46 % entwickelt sich im Laufe einer Schwangerschaftshypertonie eine milde, in etwa 9 % eine schwere Präeklampsie. Eine weitere Komplikation im Rahmen einer Schwangerschaftshypertonie kann das sog. HELLP-Syndrom (HELLP: hemolysis = Hämolyse, elevated liver enzymes = erhöhte Leberwerte, low platelets = Thrombozytopenie) sein. In 20 % der Fälle kann das HELLP-Syndrom allerdings auch ohne begleitende Schwangerschaftshypertonie auftreten.
Wie die chronische Hypertonie ist auch die Schwangerschaftshypertonie zunächst symptomlos. Bei schweren Hypertonien drohen besonders zerebro- und kardiovaskuläre Probleme mit möglicher zerebraler Blutung inkl. Schlaganfall und neurologischen Ausfällen, hypertensiver Enzephalopathie mit Sehstörungen, Schwindel, starken Kopfschmerzen und Bewusstseinstrübung. Bei der Präeklampsie kommt wie oben erwähnt eine Proteinurie hinzu. Das Ausmaß der Proteinurie ist aber kein Kriterium für die Schwere der Präeklampsie. Bei der Diagnostik findet man im 24h-Sammelurin >= 300 mg Eiweiß bzw. im Spontanurin eine Protein-Kreatinin-Ratio >30 mg/mmol. Die Proteinurie bleibt zunächst symptomlos. Im weiteren Verlauf kann es aber zu Nierenfunktionsstörungen und Ödemen infolge des Eiweißverlustes kommen. Ödeme selbst sind nur ein uncharakteristisches Symptom. Sie treten in der Schwangerschaft sowieso öfters auf. Bedeutend werden sie, wenn sie rasch zunehmen und das Gewicht um mehr als 1 Kilogramm pro Woche im 3. Trimenon ansteigt. Dennoch wird noch manchmal der Begriff EPH-Gestose verwendet. (edema = Ödeme, proteinuria, hypertension). Bei einer schweren Präeklampsie steigt der Blutdruck über 160/110 mmHg, es kann zu Leber- und Nierenfunktionsstörungen, Lungenödem und hämatologischen Störungen mit entsprechend nachweisbaren laborchemischen Funktionsparametern kommen. Eine fetale Wachstumsrestriktion, bei der das fetale Schätzgewicht unterhalb der 5. Perzentile verläuft und/oder die sonographische Doppler-Untersuchung (= Ultraschall) der Arteria umbilicalis (= Nabelarterie) pathologisch ist, zeigt das zunehmende Risiko für den Fetus an. Die Eklampsie ist durch zusätzlich auftretende tonisch-klonische Krampfanfälle der Mutter gekennzeichnet.
Bei der Therapie der Schwangerschaftshypertonie besteht das grundsätzliche Problem darin, sowohl die Mutter als auch den Fetus nicht zu gefährden. Eine Therapie sollte nicht vor anhaltenden Blutdruckwerten >= 150 mmHg begonnen werden. Bis dahin werden die Blutdruckwerte engmaschig kontrolliert. Bei Werten über 150 mmHg systolisch und/oder >= 100 mmHg diastolisch muss eine Vorstellung in der Klinik erfolgen. Dort wird entschieden, ob weiterhin engmaschig beobachtet oder eine Therapie eingeleitet wird. Spätestens aber bei Blutdruckwerten >= 160/110 mmHg wird eine medikamentöse Therapie begonnen. Die Zielblutdruckwerte sollten dann < 150 mmHg systolisch und zwischen 80-100 mmHg diastolisch betragen. Die Behandlung soll die Mutter vor zerebro- und kardiovaskulären Problemen schützen, wobei eine Absenkung des Blutdrucks für die fetale Weiterentwicklung immer problematisch sein kann und somit jedes Antihypertensivum für den Fetus Risiken birgt. Das Mittel der 1. Wahl ist α-Methyldopa. Als eigeschränkt empfohlene Alternativen stehen β1-prävalente β-Blocker wie z. B. Metoprolol oder retardiertes Nifedipin zur Verfügung. β-Blocker verringern die Plazentadurchblutung und können das fetale Wachstum hemmen. Bei der Anwendung von Nifedipin sind keine teratogenen Effekte nachgewiesen. Schwere Hypertonien müssen in der Klinik unter permanenter Blutdruckkontrolle und CTG-Überwachung (= Cardiotokographie = Wehenschreiber) behandelt werden.
Der hypertensive Notfall wird mit Urapidil oder Nifedipin als Off-label-use bzw. Dihydralazin behandelt. Dihydralazin ist zwar für diese Indikation zugelassen, wegen des Risikos eines plötzlich schweren Blutdruckabfalls mit Gefährdung des Feten sollte vorher eine Elektrolytlösung zur Volumensubstitution gegeben werden.
Bei Komplikationen wie Präeklampsie oder Eklampsie müssen je nach Symptom weitere Therapien hinzukommen. Bei einem Lungenödem wird Furosemid i.v. gegeben. Bei Krämpfen ist zunächst hochdosiertes Magnesium i.v. (initial 4-6 g Magnesiumsulfat, danach 1g/h) Mittel der 1. Wahl. Danach folgen Diazepam oder Phenytoin.
Bei Vorliegen einer Präeklampsie stellt sich immer die Frage, ob die Indikation zur Entbindung als einzige kausale Therapie besteht. Die Verlängerung der Schwangerschaft dient in erster Linie der Vermeidung einer Frühgeburt mit den damit verbundenen Risiken. Nach Abschluss der 37. SSW besteht immer die Indikation zu einer vorzeitigen Geburtseinleitung. Bei schwerer Präeklampsie ab der vollendeten 34. SSW sollte möglichst entbunden werden. Bei Präeklampsie ab der 24. SSW sollte die Betreuung in einem Perinatalzentrum erfolgen. Primär wird ein konservatives Vorgehen empfohlen. Neben der Bedeutung des Schwangerschaftsalters spielt die Frage nach einer abgeschlossenen RDS-Prophylaxe (= respiratory distress syndrome) mit Glucocorticoiden wie z. B. Betamethason zur Lungenreifung eine Rolle.