Die schweren arzneimittelinduzierten Hautreaktionen haben viele unterschiedliche Bezeichnungen, die, wie auch die einzelnen Erkrankungen, schwer gegeneinander abzugrenzen sind und je nach Quelle auch teilweise synonym verwendet werden. In der Leitlinie zur epidermalen Nekrolyse (09/2024) findet man eine tabellarische Auflistung der Differentialdiagnosen mit Beschreibung der klinischen Symptome und histologischen Merkmale zu den einzelnen Erkrankungen.
Zu den schweren arzneimittelinduzierten Hautreaktionen gehören:
Epidermale Nekrolyse (EN)
- Steven-Johnson-Syndrom (SJS)
- Toxisch epidermaler Nekrolyse (TEN)
Erythema exsudativum multiforme majus (EEMM)
Drug reaction with eosinophila systematic syndrom (DRESS)
Lyell-Syndrom
- medikamentös induziertes Lyell-Syndrom (Toxisch epidermaler Nekrolyse, TEN)
- [Staphylogenes Lyell-Syndrom (Staphylococcal scalded skin syndrome, SSSS)]
Epidermale Nekrolyse (EN)
Es handelt sich um eine immunologische, arzneimittelinduzierte und akut lebensbedrohliche Erkrankung von Haut- und Schleimhäuten, bei der es zu epidermalen und epithelialen Nekrosen mit schweren Begleiterscheinungen kommt. Charakteristisch kommt es zu einem ausgedehnten Exanthem aus Makulae und/oder schießscheibenartigen Einzeleffloreszenzen mit atypischen Kokarden, Blasen und Erosionen der Epidermis und Schleimhäute, die im Gegensatz zum EEMM eher stammbetont oder generalisiert vorkommen. Meist entwickelt sie sich innerhalb von bis zu 2 Wochen nach Arzneimittel-Einnahme und schreitet dann sehr schnell voran. Um einen Progress handelt es sich nur, wenn sich die betroffenen geröteten Exantheme ausweiten (Fotodokumentation sinnvoll), aber ein Fortschreiten über meist etwa 4-5 Tage mit anschließender Blasenbildung und Hautablösung an den nächsten 5-7 Tagen an den bereits betroffenen Stellen, wird nicht als Progress definiert.
Vom Steven-Johnson-Syndrom (SJS) spricht man bei Hautablösungen < 10 % Körperoberfläche (KOF) und von toxisch epidermaler Nekrolyse (TEN) bei Hautablösungen > 30 % KOF. Zwischen 10 und 30 % wird von SJS/TEN-Übergangsformen gesprochen.
Das Lyell-Syndrom wird als Maximalform des SJS beschrieben, wobei man das SSSS (Staphylococcal scalded skin syndrom) aufgrund der Staphylokokken-Beteiligung davon abgrenzen kann.
Therapie
Supportive Maßnahmen stehen bei der Behandlung dieser Erkrankung im Vordergrund. Eine mechanische Wundbehandlung und Wundversorgung sollte am besten durch spezialisierte Pflegekräfte auf Verbrennungsstationen erfolgen. Scherkräfte sollten aufgrund des fragilen Hautzustandes vermieden werden und eine mikrobiologische Kolonisierung sollte verhindert werden. Geringflächige Exantheme sollte man zunächst beobachten und Blasen können durch Punktion entlastet werden. Topische Kortikoide sollten nur auf nicht erodierten Arealen eingesetzt werden. Erodierte Stellen können mit Aluminium-bedampften Vliesstoffen verbunden, oder mit nicht-haftenden Silikondistanzgittern oder fetthaltiger Netzgaze abgedeckt werden.
Da zu Beginn der Erkrankung der zu erwartende Schweregrad nicht abgeschätzt werden kann, sollte man bei der Entscheidung für eine systemische Behandlung davon ausgehen, dass sich eine TEN entwickelt. Bei der Auswahl der eingesetzten Wirkstoffe sollte die Vormedikation und der Gesundheitszustand der Patient: innen mit einbezogen werden. Wenn in den letzten 24h kein Progress mehr stattgefunden hat, sollte eine Nutzenbewertung einer neuen systemischen Therapie erfolgen. Eine systemische immunmodulierende/immunsupressive Therapie kann mit Kortikosteroiden, intravenösen Immunglobulinen, Ciclosporin A oder Etanercept als Mono- oder Kombitherapie erfolgen. Thalidomid sollte nicht mehr eingesetzt werden.
Erythema exsudativum multiforme majus (EEMM)
Hierbei handelt sich eine Differentialdiagnose zu SJS und TEN. Die Läsionen kommen vorwiegend im Hand- und Fußbereich oder extremitätenbezogen vor und konfluieren nicht, wodurch es nicht zu großflächiger Blasenbildung kommt. Häufigste Auslöser sind Infektionen, in seltenen Fällen können aber auch Arzneistoffe der Auslöser sein.
Drug reaction with eosinophila systematic syndrom (DRESS)
Das DRESS wird auch Hypersensitivitätssyndrom genannt. Die Immunreaktion wird unterstützt durch ethnische Prädisposition, genetisch determinierten Enzymmangel und eine Reaktivierung von Herpesviren. Es tritt in der Regel etwas langsamer auf (1-8 Wochen nach Einnahme) als die EN.
Lyell-Syndrom
Der Begriff Lyell-Syndrom wird im Zusammenhang mit den beiden unterschiedlichen Krankheiten TEN (medikamentös induziertes Lyell-Syndrom) und SSSS (Staphylogenes Lyell-Syndrom) verwendet. Da es zu Verwechslungen kommen kann, sollte man besser die Begriffe TEN und SSSS verwenden.