Ein Gichtanfall ist eine akut schmerzhafte Manifestation der Gicht. Es handelt sich um eine rasch einsetzende Entzündung meist nur eines Gelenks (Monoarthritis in 90 % der Fälle) ohne ein vorangegangenes Trauma, die oft innerhalb weniger Stunden eine maximale entzündliche Aktivität entwickelt. Die Entzündung ist mit der Bildung von Harnsäurekristallen im Gelenk oder gelenknahen Geweben (wie z. B. Schleimbeutel) assoziiert. Es kommt zu den klassischen Entzündungszeichen mit starken Schmerzen (dolor) -auch bei Berührung-, Überwärmung (calor), Schwellung (tumor) und Rötung (rubor). Auch die Funktion ist stark beeinträchtigt (functio laesa). Daher leiten sich typische Bezeichnungen für häufig vorkommende Gelenkentzündungen bei der akuten Gicht ab wie Podagra (= „Fußfessel“) oder Chiragra (= „Handfessel“) ab. Weitere häufig betroffene Gelenke sind das Kniegelenk, Sprunggelenk, Ellenbogengelenk, Daumensattelgelenk und die Handwurzel. Bei schweren Gichtanfällen kann auch Fieber auftreten. Die Prävalenz der akuten Gicht liegt bei 1-2 % der Bevölkerung.
Beim Überschreiten der Löslichkeitsgrenze von Harnsäure im Blut fallen Harnsäurekristalle in schlecht durchbluteten Geweben (insbesondere Gelenke) aus. Dieser starke Entzündungsreiz setzt einen circulus vitiosus in Gang: Einwandernde Leukozyten (weiße Blutkörperchen) phagozytieren die Harnsäurekristalle. Die entstehenden Phagolysosomen rupturieren und führen zur Autolyse der Zelle. Der Austritt lysosomaler Enzyme verstärkt die Entzündung. Sie greifen das umliegende Gewebe an und der pH-Wert sinkt. Bei sinkendem pH sinkt allerdings auch die Löslichkeit von Harnsäure, so dass noch mehr Harnsäure auskristallisieren kann. Gichtanfälle treten häufig nachts oder am Morgen auf. Begünstigende Faktoren sind Übergewicht und der vorangegangene Genuss von Alkohol und/oder Fleisch. Der Abbau von Alkohol erhöht im Organismus den Laktatspiegel und senkt damit den pH-Wert im Blut, so dass eine Auskristallisation von Harnsäure begünstigt wird. Weiterhin hemmt Alkohol die ADH-Ausschüttung (antidiuretisches Hormon, Vasopressin). Es kommt zu einer verstärkten Diurese mit begleitender Erhöhung der Harnsäurekonzentration in einem geringeren Plasmavolumen. Fleisch, aber auch andere Nahrung wie z. B. Hefe (in Bier!), Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen, Erbsen) oder Fisch sind sehr purinreich und gehören zu den externen Faktoren, die den endogenen Harnsäurespiegel erhöhen.
Die klinische Diagnose kann gestellt werden, wenn sich eine schmerzhafte Monoarthritis eines peripheren Gelenks innerhalb eines Tages ohne vorhergehendes Trauma (z. B. Sturz, OP, intraartikuläre Injektion) entwickelt hat. Eine weitere Diagnostik ist nur bei untypischen Fällen indiziert. Im Blut findet man eine Leukozytose (Erhöhung der weißen Blutkörperchen). Die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) ist stark erhöht. Der Harnsäurespiegel im Blut ist im Anfall nur bei einem Drittel der Patienten erhöht. Zum einen kann durch den Ausfall von Harnsäurekristallen der Spiegel bereits wieder abgesunken sein, zum anderen kann bei normalem Serum-Harnsäurespiegel lokal in schlecht durchbluteten Gewebe eine viel höhere Harnsäurekonzentration vorliegen. Eine Gelenkpunktion zum Nachweis von Uratkristallen sollte im hausärztlichen Bereich nicht durchgeführt werden. Die EULAR-Empfehlungen (european league against rheumatism) gehen jedoch dahin, bei jeder Person mit Verdacht auf Gicht eine Suche nach Uratkristallen in der Synovialflüssigkeit (Gelenkflüssigkeit) oder im Tophus-Aspirat (Tophus = sichtbarer Uratablagerungen im Weichteil- oder Knorpelgewebe) durchzuführen. Die wichtigste Differentialdiagnose beim akuten Gichtanfall ist die septische Arthritis.
Ein akuter Gichtanfall sollte schnellstmöglich medikamentös behandelt werden (innerhalb von 12-24 Stunden). Der akute Zustand kann sonst über Tage andauern und das Risiko von Langzeitfolgen erhöhen. Das betroffene Gelenk sollte gekühlt und geschont werden. Der Grundsatz einer schnellstmöglichen medikamentösen Therapie führt inzwischen dazu, dass man bei bekannter Gicht den Patienten darin schult, bei ersten Anzeichen eine zuvor verordnete Selbstmedikation durchzuführen. Bei einem akuten Gichtanfall wird eine Therapie mit Prednisolon und/oder NSAR empfohlen. Wenn keine Kontraindikation besteht, sollte man mit der Kombination anfangen und mit einem Protonenpumpenhemmer wie z. B. Omeprazol 20 mg/d zum Magenschutz absichern. Die Tagesdosis einer Kortikoidtherapie kann initial als Einmalgabe erfolgen (50 mg Prednisolonäquivalent), ab dem 2. Tag vorzugsweise morgens. Die weitere Dosierung ist abhängig von Dauer und Schweregrad sowie vom Körpergewicht des Patienten und kann schrittweise reduziert werden. Eine parenterale Gabe sollte nur in seltenen Einzelfällen erfolgen, da Patienten auch auf die orale Gabe schnell ansprechen. Als NSAR kann man z. B. für eine Woche 2 x 500 mg Naproxen verordnen. Prednisolon und Naproxen wirken alleine genommen vergleichbar gut gegen einen Gichtanfall.
Colchicin als Mitosehemmer (Alkaloid der Herbstzeitlosen) wird bei einem akuten Gichtanfall in Deutschland inzwischen wieder häufiger verordnet. Am ersten Tag sollten 2 mg gegeben werden, gefolgt von 2-3mal täglich 0,5 mg am 2. und 3. Tag. Die Höchstdosis von 6 mg pro Gichtanfall sollte nur in Ausnahmefällen überschritten werden. Empfohlen ist es bei Kontraindikationen gegen Glucocorticoide (z. B. Ulkuskrankheit) und NSAR (z. B. Niereninsuffizienz). Kontraindikation für Colchicin ist eine gleichzeitige Therapie mit starken P-Glykoprotein- und/oder CYP3A4-Inhibitoren. Während eines akuten Gichtanfalls sollte nicht mit einer harnsäuresenkenden Therapie begonnen werden.
Eine Eröffnung des Gichttophus sollte nur durch erfahrene Therapeuten in begründeten Einzelfällen durchgeführt werden.
Supportiv sollte das betroffene Areal ruhiggestellt, hochgelagert und gekühlt werden.
Nach einem ersten Gichtanfall muss der Patient über mögliche Lebensstiländerungen aufgeklärt werden:
- Übergewicht sollte langsam reduziert werden. Dabei sollte die Ernährung auf purinarme Kost umgestellt, d. h. purinreiche Lebensmittel wie Fisch, Fleisch, Hülsenfrüchte oder (Bier-)Hefe sollen reduziert werden. Dabei sollten üppige Mahlzeiten, aber auch langes Fasten vermieden werden.
- Sofern keine Kontraindikation wie z. B. eine Herzinsuffizienz besteht, sollten mindestens 2 Liter Flüssigkeit am Tag zugeführt werden.
- Alkohol kann einen Gichtanfall auslösen. Daher sollte ein kompletter Verzicht auf Alkohol angestrebt werden.
- Körperliche Aktivität hilft, den Harnsäurespiegel im Blut zu senken.
Während und bis etwa 14 Tage nach einem Gichtanfall sollte nicht mit einer harnsäuresenkenden Therapie (= urate-lowering therapy, ULT) begonnen werden, weil die Harnsäure im Blut zu Therapiebeginn passager sogar ansteigen kann.
Nach wiederholten Gichtanfällen soll in jedem Fall eine harnsäuresenkende Therapie begonnen werden. Mittel der ersten Wahl ist Allopurinol, das einschleichend dosiert und unter Kontrolle der Nierenfunktion (Creatinin-Wert) auf einen Harnsäurewert < 6,0 mg/dl eingestellt werden sollte. Da gerade zu Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie erneut Gichtanfälle auftreten können (besonders in der 8. bis 12. Woche), wird inzwischen während der ersten 6 Monate eine zusätzliche Prophylaxe mit Colchicin in niedriger Dosis (0,5-1 mg/d) oder mit 1 x täglich 500 mg Naproxen empfohlen. Allerdings hat Colchizin derzeit keine Zulassung in dieser Indikation.