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          < Ethambutol >

Ethambutol

  

Wirkmechanismus

Tuberkulostatikum:
Störung der Zellwandsynthese von Mycobakterien durch Hemmung der Synthese von dafür essentiellen Polysacchariden

Anwendung

Alle Formen und Stadien der Tuberkulose

Die Tuberkulose (lat.: tuberculum = „kleine Geschwulst“; alte Begriffe: „Schwindsucht“, „Motten“) ist eine weltweit verbreitete bakterielle Infektionserkrankung, die am häufigsten die Lungen befällt. Sie wird durch verschiedene Arten von Mycobakterien verursacht, am häufigsten durch Mycobacterium tuberculosis. Mycobakterien sind aerobe, unbewegliche, langsam wachsende, extra-und intrazellulär vorkommende, stäbchenförmige Bakterien. Sie haben eine sehr dicke Lipidschicht aus verzweigtkettigen Fettsäuren, den Mykolsäuren. Diese erschwert einerseits den Zugang für Antibiotika, andererseits sind sie dadurch in der Gramfärbung schlecht anfärbbar. Durch RNA-Analysen konnten sie zwar den grampositiven Bakterien zugeordnet werden, dennoch hat sich bei Mycobakterien aufgrund der Anfärbbarkeit in sauren Lösungen (Ziehl-Neelson-Färbung) der Begriff der „säurefesten Stäbchen“ durchgesetzt.

Die WHO schätzt die Zahl der TB-Infizierten auf 2 Milliarden, wobei jährlich etwa 9 Millionen Menschen an einer Tuberkulose (TB) erkranken und 1,4 Millionen jährlich an dieser Erkrankung oder deren Folgen sterben. Etwa 85 % aller Neuerkrankten leben in Afrika, Südostasien und im Westpazifik. Ein großes Problem in den sog. „Dritte-Welt-Ländern“ stellt die Koinfektion mit HIV dar, was die Tuberkulose mittlerweile zur häufigsten Todesursache bei HIV-Infizierten macht. In Deutschland ist die Zahl der Neuinfektionen rückläufig. Es kommt zu etwa 4.000 Neuerkrankungen pro Jahr, was einer Inzidenz von etwa 5,4/100.000 Einwohnern entspricht. Dabei sind Migranten, Obdachlose, Drogenabhängige und immunsupprimierte Patienten, etwa durch eine HIV-Infektion oder infolge einer Therapie mit Glucocorticoiden, Zytostatika oder TNFα-Blockern, besonders gefährdet. Besorgniserregend ist der Anstieg von Infektionen mit multiresistenten Erregern (MDR-TB = Multi Drug Resistant Tuberculosis).

Ein großes Problem bei der Behandlung und Eindämmung der Tuberkulose ist deren aerogene Übertragung durch Aerosole. Zwar können schon 10 Erreger für eine Infektion ausreichen, glücklicherweise ist die Ansteckungsrate jedoch nicht so hoch wie bei Varizellen oder Masern. Mycobakterien können auch durch Schmierinfektionen, parenteral, sexuell, intrauterin oder auch durch Ingestion von infizierter Nahrung übertragen werden. Etwa 5-10 % der Infizierten erkranken an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose, sofern sie immunkompetent sind. Bei Immunsupprimierten ist die Rate der Infektionen wesentlich höher. Die Inkubationszeit ist sehr variabel und liegt im Schnitt bei 6 bis 8 Wochen. Die Erkrankung wird klinisch in drei Stadien eingeteilt:

  • Latente tuberkulöse Infektion (LTBI)
  • Primärtuberkulose
  • Postprimärtuberkulose

In den meisten Fällen kann der Organismus die Mycobakterien erfolgreich bekämpfen und dauerhaft durch Abkapselung eingrenzen. Eine klinische Symptomatik fehlt. Man spricht in diesen Fällen von einer latenten tuberkulösen Infektion (LTBI), die aber jederzeit -auch nach Jahrzehnten- wieder reaktiviert werden kann, wobei das Erkrankungsrisiko in den ersten beiden Jahren nach Infektion am höchsten ist.
Die Primärtuberkulose ist durch einen Organbefall gekennzeichnet, wobei sich in 80 % der Fälle eine Lungentuberkulose entwickelt, aber auch andere Organe wie z. B. Hiluslymphknoten oder die Pleura (= Brustfell: Mesothel der Lunge) betroffen sein können. Pathohistologisches Kennzeichen der Tuberkulose ist die granulomatöse Entzündung mit zentraler Nekrose („verkäsende Nekrose“) und Kavernen-Bildung. Zu den unspezifischen Symptomen im Sinne einer sog. „B-Symptomatik“ mit Fieber, Nachtschweiß, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust (daher der Name „Schwindsucht“) können bei der Lungentuberkulose Husten -eventuell mit Blut (= Hämoptyse)-, Dyspnoe (= Luftnot), Brustschmerzen und lokale Lymphknotenschwellungen hinzukommen. Im Gegensatz zur geschlossenen Tuberkulose bei der LTBI nennt man eine Lungentuberkulose mit Kontakt der Infektionsherde zum Bronchialsystem eine offene Tuberkulose mit hoher Ansteckungsgefahr.
Nach hämatogener oder lymphogener Streuung kann sich die Postprimärtuberkulose mit Befall verschiedenster Organe bzw. Gewebe entwickeln. Betroffen sind z. B. Meningen (= Hirnhäute), Darm, Leber, Niere, Genitalien, Haut oder Knochen und Gelenke. Dementsprechend vielgestaltig sind die entsprechenden Symptome. Auch eine primäre Generalisierung der Tuberkulose ist möglich. Die Hauptkomplikationen sind eine tuberkulöse Meningitis oder die sog. Miliartuberkulose, bei der viele kleine Tuberkulose-Herde in der Lunge und anderen Organen vorkommen. Bei stark abwehrgeschwächten Patienten kann sich auch eine Sepsis („Landouzy-Sepsis“) entwickeln.

Zur Diagnose einer Tuberkulose incl. LTBI eignet sich der Tuberkulin-Hauttest (= Mendel-Mantoux-Test), bei dem eine definierte Menge Tuberkulin (= Mischung aus gereinigten Proteinen einer Mycobakterien-Kultur) unter die Haut gespritzt wird und eine Auswertung nach etwa 2 Tagen hinsichtlich der Größe der Hautreaktion erfolgt. Der früher häufig durchgeführte Stempeltest („Tinetest“) ist zu wenig aussagekräftig. Mittlerweile ist der Goldstandard in der Diagnostik der Tuberkulose der Interferon-Gamma-Test (Interferon-Gamma-Release-Assay = IGRA), bei dem Abwehrzellen aus dem Blut des Patienten mit einer Mischung aus Antigenen von Mycobacterium tuberculosis vermischt werden und die Konzentration des sich entwickelnden Zytokins Interferon γ gemessen wird. Weiterhin wird nach entsprechender Anamnese eine Bildgebung der möglichen betroffenen Organe durchgeführt wie z. B. Röntgen-Thorax oder eine Computertomographie (CT). Die Mikroskopie von Untersuchungsmaterial ist nicht ausreichend, weil die Nachweisgrenze zu hoch ist. Die Diagnose ist gesichert, wenn ein kultureller Erregernachweis aus dem Sputum, Bronchialsekret oder Gewebeproben gelingt. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass eine Kultivierung auf festen Nährböden 4 Wochen und in Flüssigmedien immer noch 2 Wochen in Anspruch nimmt.

Zur Behandlung der Tuberkulose stehen zunächst die vier Erstrangmedikamente (= WHO-Gruppe 1) Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Ethambutol (EMB) und Pyrazinamid (PZA) zur Verfügung, wobei vor Beginn der Therapie geklärt werden sollte, ob der Erreger sensibel gegenüber dieser Therapie ist und die Wirkstoffe vorraussichtlich über den gesamten erforderlichen Zeitraum eingesetzt werden können. Das parenteral zu verabreichende Aminoglykosid Streptomycin wird von der WHO mittlerweile zu den Zweitrangmedikamenten gerechnet. Die Behandlung der Tuberkulose erfolgt immer in einer Kombinationstherapie (bei Verfügbarkeit präferiert als Fixkombi). Ein Grund ist die unterschiedliche Wirksamkeit der Arzneistoffe in tuberkulösen Läsionen, in denen Mycobakterien in biologisch sehr verschiedenen Populationen vorkommen:
  • Isoniazid wirkt gut bakterizid gegen bei hohem Sauerstoffpartialdruck und neutralem pH-Wert rasch wachsende Mycobakterien-Populationen. Etwas weniger gut wirkt hier auch Rifampicin. Deutlich schwächer wirken bei diesen Populationen Streptomycin und Ethambutol hat hier eher resistenzverminderte Eigenschaften.
  • In nekrotisch-pneumonischen Läsionen finden sich bei niedrigem Sauerstoffpartialdruck und saurem pH-Wert langsam wachsende Mycobakterien-Populationen, gegen die besonders Pyrazinamid und Rifampicin bakterizid wirken. Streptomycin und Ethambutol wirken nicht gegen langsam proliferierende Mycobakterien.
  • In fibrotischen Herden kommen Bakterien-Populationen mit sehr geringem oder gar keinem Stoffwechsel vor. Hier können die Tuberkulostatika nur wirken, wenn die Mycobakterien in eine metabolisch aktive Phase eintreten.
Ein weiterer Grund für die Kombinationsbehandlung ist die Resistenzvermeidung bzw. -verminderung. In jeder größeren Mycobakterien-Population sind bereits spontan mutierte Erreger mit einer Resistenz gegen den einen oder anderen Arzneistoff, die bei einer inadäquaten Monotherapie selektioniert werden würden.
Als Standard wird bei erwachsenen Patienten ohne Immundefizienz und resistente bzw. multiresistente Erreger eine Kombinationstherapie durchgeführt, die sich in eine 2-monatige Initialphase und eine sich anschließende 4-monatige Kontinuitätsphase gliedert. In der Initialphase sollen die Erregerzahl unter Vermeidung einer Resistenzselektion und das Ansteckungsrisiko für andere rasch vermindert werden. Eingesetzt wird eine 4-fach Kombination aus Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid. Die Kontinuitätsphase dient der Elimination der verbliebenen vitalen Erreger zur Ausheilung der Erkrankung und zur Vermeidung eines Rezidivs. In dieser Phase werden über mindestens vier Monate Isoniazid und Rifampicin kombiniert.

Resistenzen stellen bei Mykobakterien ein immer größeres Problem dar. Zur Vermeidung von Resistenzen muss vor Therapiebeginn durch ein Antibiogramm sichergestellt sein, dass beim jeweiligen Patienten 4 sensible Arzneistoffe angewendet werden. Bei einem verzögerten Ansprechen der Therapie, wie z. B. dem weiter bestehenden Nachweis von Erregern, muss auf eine Erreger-Resistenz untersucht werden, die Zuverlässigkeit der Arzneistoff-Einnahme (= Compliance) geprüft und die Therapie eventuell verlängert werden. Bei Verdacht auf Non-Compliance wird eine überwachte Einnahme der Arzneistoffe empfohlen (directly observed treatment = DOT) die auf richterlichen Beschluß eine zwangsweise Einweisung einschließen kann. Eine Therapieunterbrechung von mehr als 2 Monaten gilt als Therapieabbruch und ist meldepflichtig. Vor dem Neubeginn der Therapie sollte das Resistenzverhalten der Erreger getestet werden. Bei vorliegenden Resistenzen hat die WHO die Zweitrangmedikamente in weitere Gruppen eingeteilt:

  • WHO-Gruppe 2: Injizierbare Arzneistoffe wie z. B. die Aminoglycoside Streptomycin und Amikacin
  • WHO-Gruppe 3: Fluorchinolone neuerer Generation wie z. B. Levofloxacin und Moxifloxacin
  • WHO-Gruppe 4: gesicherte Wirkung, z. B. Rifabutin und Protionamid
  • WHO-Gruppe 5: unklare Wirkung, z. B. Amoxicillin/Clavulansäure, Clarithromycin, Imipenem

Dosierung

Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren
1 x täglich 15 (max. 20) mg/kg KG peroral

Kinder bis 12 Jahre
1 x täglich 20 (15-25) mg/kg KG peroral

Patientenhinweis

Ethambutol kann irreversible Schäden des Sehnervs verursachen. Daher sind regelmäßige augenärztliche Kontrollen durchzuführen. Der Patient sollte darüber informiert sein, bei Sehverschlechterung den Augenarzt aufzusuchen.
Bei Niereninsuffizienz muss die Dosis gegebenenfalls angepasst werden.
Bei Patienten mit Hyperurikämie ist die Gefahr eines Gichtanfalls erhöht.
Das Reaktionsvermögen sowie das Bedienen von Maschinen können beeinträchtigt sein.

Nebenwirkungen

  Nervus opticus-Neuritis

Die wichtigste und häufigste unerwünschte Wirkung von Ethambutol ist eine Schädigung des Sehnervs. Vor Therapiebeginn und danach in 4-wöchigen Abständen müssen daher augenärztliche Kontrollen der Sehschärfe (= Visuskontrollen) durchgeführt werden. Darüber hinaus sollte der Patient dazu angehalten werden, das eigene Sehvermögen -z. B. beim Zeitungslesen- zu beobachten und Auffälligkeiten dem Arzt mitzuteilen. Wenn bei frühzeitigem Bemerken einer Sehverschlechterung die Therapie mit Ethambutol sofort abgebrochen wird, ist der Schaden am Sehnerv in der Regel reversibel. Längerfristig wird der Schaden jedoch irreversibel.

Die Opticus-Neuritis kann entweder die zentralen Anteile des Nervs mit Rot-Grün-Schwäche, Visusminderung bis hin zum Zentralskotom (= Sehausfall an der Stelle des schärfsten Sehens) betreffen oder die peripheren Anteile mit daraus sich ergebenden Gesichtsfeldeinschränkungen (= „Scheuklappen-Phänomen“).

  Erhöhte Harnsäurewerte

Ethambutol wird nicht nur glomerulär filtriert, sondern auch zu einem gewissen Anteil durch tubuläre Sekretion über die Nieren ausgeschieden. Bei der tubulären Sekretion kommt es am Säuresekretionstransporter zu einer Konkurrenz mit Harnsäure. Besonders bei Patienten mit Hyperurikämie und/oder Gicht kann es daher schon nach einer einzigen Dosis zu erhöhten Harnsäure-Werten und u. U. zu Gichtanfällen kommen.

Dieser Effekt kann durch die regelhaft durchgeführte gleichzeitige Behandlung mit Isoniazid und Pyridoxin (= Vitamin B6) noch verstärkt werden. In diesem Zusammenhang sind auch Fälle von Arthralgien (= Gelenkschmerzen) beschrieben worden.

  Störungen der Leberfunktion

Besonders unter hohen Dosierungen von Ethambutol kann es zu Störungen der Leberfunktion, erkennbar am Anstieg der Transaminasen, kommen. Zwar ist diese Nebenwirkung nicht so häufig, jedoch muss bedacht werden, dass die Therapie der Tuberkulose immer eine Kombination von Tuberkulostatika ist, von denen die meisten hepatotoxisch sind.

  ZNS-Störungen, z. B. Kopfschmerzen, Schwindel

Häufig kommt es unter der Therapie mit Ethambutol zu ZNS-Störungen wie z. B. Kopfschmerzen und Schwindel. Darüber hinaus kann es häufig auch u neurologischen Störungen mit Parästhesien vor allem in den Extremitäten und Fingerzittern kommen.

  Psychiatrische Störungen, z. B. Verwirrtheit

Häufig kommt es unter der Therapie mit Ethambutol zu psychiatrischen Störungen wie z. B. Verwirrtheit, Desorientiertheit und Halluzinationen. Diese psychiatrischen Störungen schränken die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen stark ein.

  Schwere akute Überempfindlichkeitsreaktion

Unter der Therapie mit Ethambutol kann es gelegentlich zu allergischen Reaktionen mit Exanthemen, Fieber und Blutbildveränderungen wie z. B. eine Leukopenie kommen. Bei den seltenen schweren allergischen Reaktionen wie z. B. Anaphylaxie muss die Therapie mit Ethambutol sofort abgebrochen und lebensrettende Gegenmaßnahmen wie die Gabe von Sympathomimetika, Kortikosteroiden und Antihistaminika eingeleitet werden. Eine Beatmung des Patienten kann erforderlich werden.

  Nephrotoxizität

Ethambutol wird überwiegend über die Nieren durch Filtration und tubuläre Sekretion ausgeschieden. Durch Konkurrenz am tubulären Anionentransporter kann es zum Anstieg harnpflichtiger Stoffe kommen und damit gelegentlich nephrotoxisch wirken. Selten wurden auch Fälle von nephrotischem Syndrom, interstitieller Nephritis und Myoglobinurie berichtet.

  Störungen des Blutbildes

Im Rahmen von zytotoxischen Reaktionen (= Allergie-Typ II) kann es gelegentlich zu Leukopenie und selten zur Thrombozytopenie kommen. Weiterhin wurden Fälle einer Neutropenie mit gleichzeitig bestehender Eosinophilie beschrieben.

Das Hämogramm (Blutbild) stellt die Menge der in einer Blutprobe vorhandenen Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen), Thrombozyten (Blutplättchen) und Retikulozyten (polymorphkernige Blutkörperchen) nebeneinander dar. Beim Differentialblutbild werden sowohl quantitative als auch qualitative Parameter, wie z. B. die Form, mit herangezogen. Neben pathologischen Veränderungen können Abweichungen von den Normwerten auch durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen bedingt sein. Auftreten können u. a.:
  • Leukopenie: Die Gesamtzahl aller Leukozyten (Granulozyten, Lymphozyten, Monozyten) im Blut ist auf unter 5.000/mm³ reduziert.
  • Leukozytose: Die Gesamtzahl aller Leukozyten im Blut ist über 10.000/mm³ erhöht.
  • Granulozytopenie: Verminderung der Anzahl der Leukozyten, insbesondere der neutrophilen Granulozyten.
  • Agranulozytose (perniziöse Neutropenie): Verminderung der Anzahl der Leukozyten (Leukopenie), die Granulozyten können komplett fehlen. Auch die Blutplättchen und das Knochenmark können betroffen sein. Eine Agranulozytose kann sich innerhalb von Stunden ausbilden und geht üblicherweise mit grippeähnlichen Symptomen einher, bei deren Auftreten der Patient darüber aufgeklärt sein muss, dass umgehend eine ärztliche Konsultation erfolgen sollte. Es wird symptomatisch therapiert; Breitbandantibiotika und Granulozyten-Koloniestimulierende Faktoren, wie Filgrastim, werden häufig in der Therapie verabreicht.
  • Eosinophilie: Erhöhung der Anzahl der eosinophilen Granulozyten im Blut. Bei allergischen Reaktionen wie dem Arzneimittelexanthem tritt dies zum Beispiel auf.
  • Thrombozytopenie: Verminderung der Anzahl der Thrombozyten unter 150.000/mm³. Durch den Mangel an Thrombozyten ist die Blutgerinnung gestört und es treten vermehrt Hämatome oder Blutungen auf.
  • Aplastische Anämie: Die Gesamtzahl aller Zellen im Blut ist reduziert (Panzytopenie). Ursache ist eine gestörte Stammzellreifung im Knochenmark.
Grundsätzlich stellen Blutbildveränderungen ernste bis lebensbedrohliche unerwünschte Wirkungen dar, die einer weitergehenden ärztlichen Abklärung bzw. Behandlung bedürfen.

  Hautreaktionen, z. B. Juckreiz, Exanthem

Gelegentlich kommt es unter der Therapie mit Ethambutol zu Juckreiz und Exanthemen wie z. B. Lichen (= entzündlich  scharf begrenzte und juckende Papeln, die in Gruppen zu Plaques und größeren Flächen konfluieren können).

Kontraindikationen

Vorbestehende schwere Augenerkrankungen

Bei Patienten mit bereits bestehenden schweren Augenerkrankungen, wie z. B. einer schweren diabetische Retinopathie oder Glaukom-bedingte Schäden am Nervus opticus (= Sehnerv), ist die Anwendung von Ethambutol kontraindiziert. Es besteht die Gefahr, dass diese vorbestehenden Schäden vom Patienten unbemerkt unter einer Therapie mit Ethambutol weiter fortschreiten.

Patienten, bei denen keine Visuskontrolle möglich

Die wichtigste und häufigste Nebenwirkung von Ethambutol ist eine Schädigung des Nervus opticus (= Sehnerv). Daher muss für alle Patienten eine regelmäßige augenärztliche Kontrolluntersuchung durchgefürt werden, um rechtzeitig auf mögliche Schäden reagieren zu können. Für Patienten, bei denen keine regelmäßige Visuskontrolle möglich ist, ist daher die Anwendung von Ethambutol kontraindiziert.
Patienten, bei denen keine Visuskontrolle möglich ist, können z. B. Kinder sein, die bei der augenärztlichen Untersuchung noch nicht geeignet mitarbeiten, oder auch Patienten mit akuten Erkrankungen der vorderen Augenkammer, wobei die Sehschärfe durch die akute Erkrankung bereits beeinträchtigt ist.

Schwangerschaft und Stillzeit

Ethambutol kann in der Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden. Dennoch sollte eine Anwendung nur nach sorgfältiger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses erfolgen. Darüber hinaus muss auch die gleichzeitige Behandlung mit anderen Tuberkulostatika berücksichtigt werden. Ethambutol passiert die Plazentaschranke und geht in die Muttermilch über. Die Konzentration in der Muttermilch ist in etwa so hoch wie im Serum.

Auf der anderen Seite sollte das Eintreten einer Schwangerschaft unter der Therapie einer Tuberkulose vermieden werden und daher eine sichere Kontrazeption mit nicht-hormonellen Maßnahmen sichergestellt werden.

Wechselwirkungen

  Aluminium- und/oder Magnesium-haltige Antazida

Aluminium- und/oder Magnesium-haltige Antazida können die Resorption von Ethambutol verzögern und/oder vermindern. Daraus kann sich eine mögliche Wirkabschwächung von Ethambutol ergeben. Es wird daher empfohlen, solche Antazida erst mit 2 Stunden Abstand zur Einnahme von Ethambutol einzunehmen.

  Disulfiram

Das (früher) zur Behandlung des chronischen Alkohol-Abusus eingesetzte Disulfiram kann die Gefahr von Sehschäden unter der Therapie mit Ethambutol erhöhen.

  Phentolamin

Ethambutol kann mit gleichzeitig verabreichtem Phentolamin reagieren. Phentolamin ist ein kompetitiver Antagonist an α1- und α2-Rezeptoren und wird im sog. Phentolamin-Suppressionstest zur Diagnostik eines Phäochromozytoms (= Tumor des Nebennierenmarks) eingesetzt. Durch die Reaktion von Ethambutol mit Phentolamin kann es zu falsch positiven Testbefunden kommen.

Strukturformel

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Kommentar

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Wirkmechanismus

Ethambutol wirkt in niedrigen Konzentrationen bakteriostatisch, in Konzentrationen ab 6 bis 8 µg/ml bakterizid auf proliferierende, extra- und intrazelluläre Stämme von Mykobakterien. Dabei liegen die wirksamen intrazellulären Konzentrationen etwa 7-fach über den extrazellulären.

Mycobakterien sind aerobe, unbewegliche, langsam wachsende, extra-und intrazellulär vorkommende, stäbchenförmige Bakterien. Sie haben eine sehr dicke Lipidschicht aus verzweigtkettigen Fettsäuren, den Mykolsäuren. Diese erschwert einerseits den Zugang für Antibiotika, andererseits sind sie dadurch in der Gramfärbung schlecht anfärbbar. Durch RNA-Analysen konnten sie zwar den grampositiven Bakterien zugeordnet werden, dennoch hat sich bei Mycobakterien aufgrund der Anfärbbarkeit in sauren Lösungen (Zhiehl-Neelson-Färbung) der Begriff der „säurefesten Stäbchen“ durchgesetzt.

Der genaue Wirkungsmechanismus von Ethambutol ist nicht bekannt. Höchstwahrscheinlich hemmt Ethambutol die Biosynthese spezifischer, für den Zellwandaufbau wichtiger Polysaccharide.

Resistenzen treten bei Mutationen im embB-Gen auf, das für eine Arabinosyltransferase codiert. Laut den Meldedaten des Robert-Koch-Institutes lag die Resistenzrate gegenüber Ethambutol 2014 bei 2,3 %. Somit kann hier davon ausgegangen werden, dass die Tuberkulose-Erreger üblicherweise empfindlich sind.

Die messbaren Serumkonzentrationen von Ethambutol verlaufen proportional zur verabreichten oralen Dosis. Nach etwa 2 Stunden werden maximale Plasmaspiegel erreicht.  Auch die Bindung an Plasmaeiweiße wie Albumin ist proportional zur Plasmakonzentration. Ethambutol zeichnet sich durch eine gute Gewebegängigkeit in Lungengewebe, Makrophagen und Erythrozyten aus. Man nimmt an, dass die 2- bis 4-fach höheren Konzentrationen in Erythrozyten gegenüber der Plasmakonzentration eine Art Reservoir darstellen, aus dem Ethambutol langsam freigesetzt wird. Die Blut-Hirn-Schranke wird nur bei entzündeten Meningen (= Hirnhäuten) überwunden. Ethambutol überwindet zu einem Drittel die Plazentaschranke und geht in den Fetalkreislauf über.
Ethambutol wird überwiegend über die Nieren ausgeschieden. Die Halbwertszeit beträgt bei Nierengesunden etwa 4 Stunden. Die Ausscheidung von unverändertem Ethambutol erfolgt überwiegend über die glomeruläre Filtration und zu einem geringen Teil auch über tubuläre Sekretion. Nur etwa 15 % werden metabolisch inaktiviert. Bereits bei Absinken der glomerulären Filtrationsrate unter 100 ml/min muss mit einer Kumulation des Arzneistoffs im Körper gerechnet werden. Ethambutol ist hämodialysierbar. Die Peritonealdialyse ist weniger effektiv, den Arzneistoff aus dem Körper zu eliminieren.
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Patientenhinweis

Die wichtigste unerwünschte Wirkung von Ethambutol ist eine Schädigung des Sehnervs. Vor Therapiebeginn und danach in 4-wöchigen Abständen müssen daher augenärztliche Kontrollen der Sehschärfe (= Visuskontrollen) durchgeführt werden. Darüber hinaus sollte der Patient dazu angehalten werden, das eigene Sehvermögen -z. B. beim Zeitungslesen- zu beobachten und Auffälligkeiten dem Arzt mitzuteilen. Wenn bei frühzeitigem Bemerken einer Sehverschlechterung die Therapie mit Ethambutol sofort abgebrochen wird, ist der Schaden am Sehnerv in der Regel reversibel. Längerfristig wird der Schaden jedoch irreversibel.

Ethambutol wird überwiegend über die Nieren ausgeschieden. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz muss gegebenenfalls eine Dosisanpassung durch Verlängerung des Dosierungsintervalls vorgenommen werden.

Ethambutol wird nicht nur glomerulär filtriert, sondern auch zu einem gewissen Anteil durch tubuläre Sekretion über die Nieren ausgeschieden. Bei der tubulären Sekretion kommt es am Säuresekretionstransporter zu einer Konkurrenz mit Harnsäure. Besonders bei Patienten mit Hyperurikämie und/oder Gicht kann es daher zu erhöhten Harnsäure-Werten und u. U. zu Gichtanfällen kommen.

Ethambutol führt häufig auch zu zentralnervösen und psychiatrischen Nebenwirkungen, die das Reaktionsvermögen und die Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigen können. Hinzu kommt die mögliche Beeinträchtigung durch ein sich verschlechterndes Sehvermögen.
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Dosierung

Im Rahmen der allgemeinen Standardbehandlung der Tuberkulose wird Ethambutol in einer 8-wöchigen Initialphase mit weiteren gegen den jeweiligen Erreger wirksamen Tuberkulostatika kombiniert. Die Einnahme erfolgt 1 x täglich morgens nüchtern zusammen mit den anderen Tuberkulostatika.

Die Dosierung beträgt für Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren 15 (15-20) mg/kg KG bei einer Maximaldosis von 1600 mg pro Tag. Bei Kindern bis 12 Jahren liegt die Dosis bei 20 (15-25) mg/kg KG.

Es wird empfohlen, Arzneistoffe zur Therapie der Tuberkulose täglich einzunehmen, um eine maximale Therapiesicherheit zu gewährleisten. Bei Zweifel an einer regelmäßigen Einnahme wird zu einer überwachten Einnahme der Arzneistoffe geraten (= directly observed treatment = DOT). Eine intermittierende Gabe der Arzneistoffe ist zwar möglich, wird aber in Deutschland nicht empfohlen und sollte daher nur durchgeführt werden, wenn eine tägliche Gabe aus zwingenden Gründen nicht möglich und der Patient HIV-negativ ist. Bei einer intermittierenden Therapie werden 3 x wöchentlich 30 mg Ethambutol/kg KG gegeben.

Ethambutol wird überwiegend über die Nieren ausgeschieden. Daher ist bei Patienten mit Niereninsuffizienz eine Dosisanpassung notwendig. Die Dosisanpassung erfolgt durch eine Änderung des Dosierungsintervalls. Die Verlängerung des Intervalls richtet sich nach der jeweiligen glomerulären Filtrationsrate (GFR) des Patienten. Bei Patienten mit einer GFR bis 30 ml/min wird noch täglich dosiert, bis zu einer GFR von 10 ml/min wird die normale Dosis von 15 mg/kg KG alle zwei Tage gegeben. Bei schwerwiegender Einschränkung der Nierenfunktion sollte die Dosisanpassung jedoch in Abhängigkeit von Serumspiegelbestimmungen vorgenommen werden. Die Cmax sollte zwei Stunden nach der Einnahme bei 2-6 mg/l und der Talspiegel vor der nächsten Gabe unter 1 mg/l liegen.
Auf die erhöhte Gefahr von Schäden am Nervus opticus muss geachtet werden.
Ethambutol ist gut hämodialysierbar und mäßig dialysierbar durch einen Peritonealdialyse. Bei Dialysepatienten sollte die Einnahme von Ethambutol daher 4-6 Stunden vor der Dialyse oder direkt nach der Dialyse erfolgen.

Bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen ist in der Regel keine Dosisanpassung notwendig. Bei schweren Leberfunktionsstörungen sollte eine Dosisanpassung anhand von Serumspiegelbestimmungen vorgenommen werden.

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