Lisdexamfetamindimesilat ist im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) bei Kindern ab 6 Jahren indiziert, wenn das Ansprechen auf eine zuvor erhaltene Behandlung mit Methylphenidat als klinisch unzureichend angesehen wird.
Das ADHS äußert sich in beeinträchtigter Aufmerksamkeit (kurze Aufmerksamkeitsspanne), Lernschwierigkeiten, Hyperaktivität, Impulsivität, emotionaler Labilität, mangelnder Frustrationstoleranz aber auch neurologischen Beeinträchtigungen/EEG-Veränderungen. Es tritt bei Kindern schon im Vorschulalter auf und kann schulische Leistungen und soziales Verhalten massiv beeinträchtigen.
Entsprechend der Leitlinie sollte die Diagnosestellung des AHDS nach ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) und DSM-5 (Klassifikationssystem psychischer Störungen) durch einen Spezialisten erfolgen, wobei die Symptome und Beeinträchtigungen in mehreren Lebensbereichen auftreten müssen, da kein ADHS vorliegt, wenn sich Störungen z. B. nur auf die Schule beziehen und innerhalb der Familie keine Beeinträchtigungen bestehen. Die Diagnose sollte auf Grundlage einer umfassenden strukturierten Exploration des Patienten erfolgen wobei Bezugspersonen und Lehrer oder Erzieher einbezogen werden sollten und bezüglich der Symptomatik in verschiedenen Lebensbereichen zu Art, Häufigkeit und Intensität der Symptome und den resultierenden Einschränkungen der Funktionsfähigkeit befragt werden. Außerdem sollten koexistierende psychische Symptome und körperliche Erkrankungen, sowie eine Familienanamnese erfasst werden.
Im Rahmen eines multimodalen therapeutischen Behandlungskonzeptes sollte entsprechend der individuellen Symptomatik, dem Funktionsniveau der Teilhabe und den Präferenzen von Patienten und Betreuungspersonen (partizipative Entscheidungsfindung) psychosoziale, pharmakologische und ergänzende Intervention kombiniert werden.
Für Kinder unter 6 Jahren sollte primär psychosozial interveniert werden und eine Pharmakotherapie sollte nicht vor einem Alter von drei Jahren angeboten werden.
Ebenso sollte bei leichten Schweregraden primär psychosozial gearbeitet werden und nur ergänzend eine pharmakotherapeutische Behandlung erfolgen.
Bei moderater ADHS sollte in Abhängigkeit von individuellen Bedingungen des Patienten und seines Umfeldes sowie den Präferenzen des Patienten und seiner Bezugspersonen nach umfassender Psychoedukation entweder eine intensivierte psychosoziale Intervention oder eine pharmakologische Behandlung oder eine Kombination angeboten werden.
Bei Vorliegen schwerer ADHS sollte eine Pharmakotherapie nach intensiver Psychoedukation im Vordergrund stehen, wobei parallel durch eine intensive psychosoziale Intervention behandelt werden kann.
Kommt eine pharmakologische Behandlung in Frage, sollte die Entscheidung über die auszuwählende Medikation möglichst individuell und unter Einbeziehung der persönlichen Umstände erfolgen. So könnte zum Beispiel die häufige Einnahme eines nicht retardierten Medikaments in der Schule zur Stigmatisierung des Patienten beitragen oder eine Ablehnung der Therapie durch die Betreuungspersonen die Compliance gefährden.
Zu Beginn der Therapie sollte eine körperliche Untersuchung bezüglich Pulses, Blutdruck, (ggf. EKG vor Allem bei Vorfällen in der Familienanamnese), Körpergewicht und Größe sowie eine engmaschige (wöchentliche) Überprüfung möglicher Nebenwirkungen erfolgen, die im Verlauf reduziert werden kann, aber spätestens bei jeder Dosiserhöhung wieder zu erfolgen hat. Im Verlauf der Behandlung ist mindestens alle 6 Monate zu überprüfen, ob eine weitere Behandlung vorteilhaft ist und einmal jährlich sollte die Indikation für die Fortführung der medikamentösen Therapie im Rahmen einer behandlungsfreien Zeit (am besten während der Sommerferien) überprüft werden.
Spezielle Diäten sowie die Behandlung mit Cannabis sind zu vermeiden.
Eine vollwertige Ernährung und sportliche Aktivität sind hilfreich. Individuell kann ein Ernährungstagebuch geführt werden, um festzustellen, ob die Patienten auf manche Lebensmittel mit besonderem Verhalten reagieren. So kann sich der Verzicht auf künstliche Farbstoffe oder andere Nahrungszusätze als positiv erweisen, aber generell sollten bei Kindern keine Eliminationsdiäten durchgeführt werden da es zu Langzeitschädigungen kommen kann. Auch die Gabe von Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren konnte keinen positiven Effekt auf die ADHS-Symptomatik zeigen.