Molsidomin ist nicht zur Behandlung eines akuten Angina pectoris-Anfalls geeignet, sondern wird auch zur Prophylaxe eingesetzt, weil sich unter der Behandlung keine Nitrattoleranz entwickelt und es daher zur Überbrückung der nitratfreien Intervalle geeignet ist.
Das Hauptsymptom der Koronaren Herzkrankheit (KHK) ist die Angina pectoris (übersetzt "Enge der Brust"), die durch Koronarsklerose, also Verengung der Herzarterien, hervorgerufen wird.
Distal dieser Engstelle kommt es zu einer Hypoxie (Sauerstoffmangel) des Herzmuskelgewebes, welches sich in den klassischen Symptomen der Angina pectoris wie Druckgefühl auf der Brust, stärkste Schmerzen u. U. mit Ausstrahlungen in den linken Arm, Magen, Unterkiefer und Rücken, Kaltschweißigkeit und Übelkeit äußert.
Dabei sind bei der Angina pectoris vorrangig die Endokard-nahen Schichten des Herzmuskels betroffen, während bei einem Herzinfarkt in der Regel die gesamte Herzwand betroffen ist. Dieses liegt an den Besonderheiten der Myokardperfusion. Die Durchblutung des Herzmuskels wird nämlich entscheidend durch den Strömungswiderstand beeinflusst, der in den Koronargefäßen herrscht. Dieser wiederum setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen:
- Systolische Wandspannung: Während der Systole ist der Druck im Myokard größer als der Druck in der Koronarie, sodass ein Blutfluss unter diesen Bedingungen nicht möglich ist. Diese Größe ist von der Nachlast des Herzens abhängig.
- Diastolische Wandspannung: Die Vorlast des Herzens bestimmt den Druck, der während der Diastole auf den Koronargefäßen liegt. Er steigt bei zunehmender Füllung des Herzventrikels.
Im Falle der Angina pectoris ist es so, dass der diastolische Wanddruck in den Endokard-nahen Schichten des Myokards höher ist als der Perfusionsdruck. Dadurch kommt es hier zur Ischämie (Mangeldurchblutung) mit den oben genannten klinischen Symptomen. Die Angina pectoris wird in zwei Untergruppen unterteilt: Stabile und instabile Angina pectoris. Bei der stabilen Form treten Beschwerden belastungsabhängig auf, bei der instabilen Form unabhängig von Belastungen bzw. bei wechselndem Maß an Belastung. Besonders gefährlich hierbei ist die sogenannte Crescendo-Angina, bei der die Anfälle immer häufiger und mit abnehmender Belastung auftreten. Sie tritt häufig kurz vor Auftreten eines Herzinfarktes, also dem völligen Verschluss einer Koronararterie auf.
Die weitere medikamentöse Behandlung der KHK richtet sich individuell nach den Risikofaktoren und der Verträglichkeit der Therapie aufgrund bestehender Begleiterkrankungen oder nicht tolerablen Nebenwirkungen. Generell wird versucht die Fließeigenschaften des Blutes zu verbessern.
- Dazu ist niedrigdosiertes ASS Mittel der Wahl (off-label) wobei ggf. ein Protonenpumpenhemmer indiziert sein kann. Bei Unverträglichkeit gegen ASS kommen auch Clopidogrel oder Vitamin K-Antagonisten zum Einsatz. In seltenen Fällen kann auch eine Dualtherapie oder Triple-Therapie in Betracht gezogen werden.
- Parallel wird empfohlen Lipidsenker einzusetzen, wobei das Mittel der Wahl hier die Statine sind. Alternativ oder additiv kann mit Cholesterinresorptionshemmern (z. B. Ezetinib) und PCSK9-Inhibitoren (z. B. Evolocumab) therapiert werden. Bei diesen Therapien kann je nach Compliance des Patienten entweder die Strategie der festen Dosis (einfacher für den Patienten) oder eine Zielwertstrategie (aufwendiger aufgrund von Kontrollen und Veränderungen der Therapie) verfolgt werden. Ein anzustrebender LDL-Cholesterinwert ist < 55 mg/dl oder mindestens eine 50%ige Reduktion. Eine Lipidapharese kann in Einzelfällen eine sinnvolle Eskalationstherapie sein, da es zusätzlich Lipoprotein a entfernt.
- Um den Druck auf die Gefäße zu senken können zudem Betablocker eingesetzt werden. Mittel der Wahl ist hier nach Myokardinfarkt Metoprolol, bei Herzinsuffizienz Bisoprolol oder Carvedilol. Eine Re-Evaluierung sollte nach einem Jahr erfolgen, wenn keine eigenständige Indikation für den Betablocker vorliegt.
- Unter Calciumkanalblockern im Rahmen einer antianginösen Therapie traten Angina pectoris-Anfälle geringfügig seltener auf, als unter Betablockern, aber dieser Effekt wurde nicht als klinisch relevant eingestuft.
- ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Aldosteronantagonisten sollten nicht ohne eigenständige Indikation eingesetzt werden, da kein Zusatznutzen belegt ist.
Für die symptomatische Therapie der Angina pectoris (Anfallskupierung) sind schnellwirksame Nitrate das Mittel der Wahl. Diese können auch vorbeugend vor einer erwarteten Belastung eingenommen werden und können so z. B. ein Bewegungstraining erleichtern. Die Entwicklung einer Nitrattoleranz ist bei bedarfsorientierter Anwendung nicht zu erwarten.
Für die antianginöse Dauertherapie stehen neben Betablockern und Calciumantagonisten langwirksame Nitrate zur Verfügung. Zusätzliche Alternativen sind Ranolazin und Ivabradin (bei Tachykardie).
Weitere Maßnahmen
Da das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden etwa eine Woche nach positivem Influenzatest 6-fach erhöht ist, wird eine jährliche Grippeimpfung empfohlen, um auslösende Faktoren zu minimieren.
Von der Anwendung komplementärer und alternativer Therapien (z. B. Chelattherapie, Phytotherapie, Vitaminsupplementierung und Omega-3-Fettsäuren) wird abgeraten, da kein Effekt auf die Gesamtsterblichkeit gezeigt werden konnte, aber die Gefährdung der Adhärenz durch die Gabe weiterer Wirkstoffe ein hohes Schadenspotential aufweist.