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          < Ocrelizumab >

Ocrelizumab

  

Wirkmechanismus

Rekombinanter humanisierter monoklonaler Antikörper
selektiv gegen CD20-exprimierende B-Zellen gerichtet

Anwendung

Schubförmig remittierende multiple Sklerose (RRMS)

Die multiple Sklerose (= MS, Enzephalomyelitis disseminata) ist eine immunvermittelte chronisch-entzündliche Erkrankung der Markscheiden (= Myelinscheiden, = “weiße Substanz“) im ZNS. Dabei überwinden körpereigene aktivierte Abwehrzellen wie z. B. Lymphozyten die Blut-Hirn-Schranke und greifen die Markscheiden im Rahmen einer Autoimmunreaktion an. Es kommt zu Demyelinisierungen, die je nach Lokalisation zu neurologischen Symptomen führen. Mittlerweile weiß man, dass auch die graue Substanz (= Nervenzellen) im Verlauf einer MS angegriffen wird.

In Deutschland gibt es derzeit etwa 252.000 Erkrankte (jährlich 16-18 pro 100.000 Neuerkrankungen). Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Diagnose wird meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr gestellt. Damit ist die multiple Sklerose die häufigste neurologische Erkrankung junger Erwachsener. Die Ursache der multiplen Sklerose ist nicht bekannt. Multiple Sklerose ist bislang nicht heilbar. Ziel aller therapeutischen Maßnahmen ist es, die Unabhängigkeit des Patienten im Alltag zu erhalten und die beste erreichbare Lebensqualität zu gewährleisten. Die bestehenden therapeutischen Möglichkeiten lassen sich in die Schubtherapie, die immunmodulierende Langzeittherapie und die Behandlung symptomatischer Beschwerden unterteilen. Ein Schwerpunkt liegt auch auf der Verhinderung von Komplikationen der MS, die beispielsweise infolge der Immobilität des Patienten auftreten können. Die Auswahl der therapeutischen Maßnahmen berücksichtigt immer den individuellen Fall des Patienten. Die volkswirtschaftlichen Kosten belaufen sich bundesweit jährlich auf etwa 4 Milliarden Euro. Die Mortalität (= Sterblichkeit) ist erst bei höhergradiger Behinderung aufgrund direkter Folgen bzw. Komplikationen der Erkrankung erhöht.

Die MS wird in verschiedene Verlaufsformen unterteilt:
  • KIS (klinisch isoliertes Syndrom): Erste Manifestation, die mit der Diagnose einer MS vereinbar ist, bei der aber zur Definition das zeitliche Voranschreiten nicht erfüllt ist. Das räumliche Fortschreiten (räumliche Dissemination) der Läsionen muss aber bereits nachgewiesen sein. Ein KIS zählt definitionsgemäß noch nicht zur Multiplen Sklerose.
  • RRMS (Relapsing Remitting Multiple Sclerosis = schubförmig remittierende MS): Hierbei handelt es sich um die häufigste Verlaufsform, bei der es zur teilweisen oder kompletten Remission der Symptome kommt.
  • SPMS (Sekundäre progrediente MS): Entwickelt sich aus der RRMS mit oder ohne zusätzliche Schübe. Es kommt zu einer schubunabhängigen Progressionsdauer von mindestens 6 bis 12 Monaten.
  • PPMS (primär progrediente MS): Die Behinderung schreitet von Beginn ab voran, wobei auch einzelne Schübe möglich sind.
Die EMA unterteilt nach Verlaufsformen in RMS, PSMS und PPMS. Die RMS beinhaltet die RRMS und die SPMS mit zusätzlichen Schüben.

Das klinisch isolierte Syndrom als Anfangsstadium kann, muss aber nicht vorkommen. Typische Frühsymptome einer MS sind Sensibilitätsstörungen, Gangunsicherheit bzw. eine belastungsabhängige Schwäche in den Beinen oder eine Optikus-Neuritis (= Entzündung des Sehnervs = 2. Hirnnerv) mit plötzlich auftretender Sehschwäche. Die Schwierigkeit der Diagnose MS beim KIS liegt darin begründet, dass die klassischen Kriterien der MS mit räumlicher und zeitlicher Dissemination (= Verteilung) von Entzündungsherden noch nicht bezüglich der zeitlichen Dissemination erfüllt sind und es passiert nicht selten, dass das KIS häufig als solches gar nicht erkannt wird. Trotz der Verbesserung von MRT-Techniken (MRT = Magnet-Resonanz-Tomographie) und mehrfacher Revision der Diagnose-Kriterien vergehen leider immer noch im Schnitt 3,4 Jahre bis zur Diagnosestellung MS.
Bei der schubförmigen MS kommt es zu wiederkehrenden akuten Schüben, deren Symptome sich nach ca. 6-8 Wochen wieder vollständig zurückbilden. Klinisch beginnt die MS bei über 80 % der Patienten mit einem schubförmigen Verlauf. Zur Orientierung sei angegeben, dass bei natürlichem, unbehandeltem Verlauf etwa 1,8 Schübe pro Jahr auftreten.
Eine schubförmig verlaufende MS geht unbehandelt bei mindestens 50 % der Patienten nach durchschnittlich 10 Jahren in eine sekundär progrediente Form über. Bei dieser Verlaufsform bilden sich die Symptome nach einem Schub nicht mehr vollständig zurück, so dass eine (Funktions-)Einschränkung bestehen bleibt, die sich im Verlauf -zum Teil auch unter weiter auftretenden akuten Schüben- weiter verschlechtert.
Ca. 10-15 % der Patienten haben eine primär progrediente Form der MS. Sie beginnt erst in einem höheren Lebensalter als die schubförmige MS. Männer sind bei dieser Form etwa gleich häufig betroffen wie Frauen. Bei dieser Form kommt es ohne einzelne Schübe zu langsam stetig fortschreitenden Behinderungen. Die in der Regel nur wenigen entzündlichen Veränderungen liegen bevorzugt im Rückenmark, so dass die im folgenden beschriebenen Symptome mehr das Gangbild und vegetative Störungen betreffen.

Die Symptomatik bei einer MS ist ausgesprochen vielgestaltig. Da die entzündlichen Läsionen überall in der weißen Substanz vorkommen können, sind sensorische, motorische, vegetative und psychische Symptome möglich, wobei zu Beginn der Erkrankung meist Sensibilitätsstörungen wie Missempfindungen (= Parästhesien), Taubheitsgefühle, Schmerzen und/oder Sehstörungen im Vordergrund stehen. Typisch motorische Störungen sind Lähmungen (= Paresen) der Extremitäten und eine abnorme Erhöhung des Muskeltonus im Sinne einer Spastik, die zu schweren Behinderungen im Alltag und eventueller Rollstuhlpflicht führen. Weitere spezielle motorische Symptome sind eine Ataxie (= Störung der Bewegungskoordination), Tremor, Sprechstörungen (= Dysarthrie), Schluckstörungen (= Dysphagie) oder ein Nystagmus (= Störung der Augenbewegung). Auch zentrale Funktionsstörungen werden bei der MS häufig angetroffen. Ein sehr großes Problem stellt die bei ca. 80 % der MS-Patienten anzutreffende gesteigerte körperliche und geistige Ermüdbarkeit (= Fatigue) dar. Weiterhin können Konzentrationsstörungen, aber auch eine Demenz auftreten. Im Verlauf kann es auch zu psychischen Störungen wie Depressionen und Wesensveränderungen kommen. Häufige vegetative Störungen sind gegebenenfalls symptomatisch zu behandelnde Blasen- und Mastdarmfunktionsstörungen sowie Sexualfunktionsstörungen.

Die Erkrankung MS wird als Ausschlußdiagnose definiert. Für die Diagnostik einer MS sind die Anamnese, bei der nach früher stattgefundenen neurologischen Ereignissen geforscht werden soll, und die Objektivierung der aktuell vorliegenden neurologischen Symptome wichtig. Ein Schub wird definiert als ein neues bzw. wieder auftretendes neurologisches Symptom, das vom Patienten berichtet oder durch eine Untersuchung objektiv feststellbar ist. Dabei muss es mindestens 24 Stunden anhalten, mit einem Zeitabstand von mindestens 30 Tagen zu einem vorausgegangenen Schub auftreten und darf nicht im Zusammenhang mit einer gleichzeitig bestehenden Erhöhung der Körpertemperatur (= Uhthoff-Phänomen) bzw. im Rahmen einer anderen Infektion auftreten. Diese Definition des MS-Schubs ist wichtig, weil sich nach der Anzahl der Schübe die verlaufsmodifizierende Therapie richtet und der Therapieerfolg beurteilt wird. Die Diagnose MS nach/bei einem Schub stützt sich auf den klinischen Nachweis der zeitlichen und örtlichen Dissemination von Läsionen im ZNS, die sich durch keine andere Erkrankung besser erklären lassen als durch eine MS.

Die Therapie der MS unterscheidet sich je nach Stadium bzw. Verlauf. Hinzu kommt eine je nach Situation erforderliche symptomatische Therapie.

Als Standard für die Schubtherapie gilt die intravenöse Gabe von Methylprednisolon (500-1000 mg) über 3-5 Tage schnellstmöglich nach Schubbeginn. Die orale Gabe ist zwar gleichwertig möglich, aber da Methylprednisolon nur in Tabletten mit 40 mg im Handel ist, wären täglich bis zu 25 Tabletten einzunehmen. Je nach Schwere und Dauer der Symptome kann auch eine Plasmapherese oder Immunadsorption erwogen werden, die innerhalb von sechs bis acht Wochen nach Schubbeginn erfolgen sollte.

Von einer immunmodulierenden Langzeittherapie profitieren vor allem junge Patienten mit RRMS, bei denen die Therapie im frühen Stadium der Erkrankung begonnen wird, da sie so den größten Effekt auf das Entzündungsgeschehen hat. Bei älteren Patienten oder den progredienten Verläufen ist sie weniger effektiv. Außerdem steigt bei älteren Patienten das Risiko von Infektionen und Neoplasien im Rahmen der Immunseneszenz an. Trotz der Einführung vieler neuer Wirkstoffe ist man noch nicht in der Lage die MS zu heilen. Bisher lässt sich nur der Verlauf modifizieren, daher ist es ratsam die Therapieentscheidung zusammen mit dem Patienten unter Abwägung des potenziellen Nutzens gegen das Risiko der kurz- und langfristigen Verträglichkeit abzuwägen. Eine Immuntherapie sollte angeboten werden, nachdem mindestens ein klinisch objektivierbarer Schub erfolgt ist, oder MRT-Aktivität in den letzten zwei Jahren zu verzeichnen war. Dabei sind junges Lebensalter, polysomatischer Beginn, schlechte Rückbildung des Schubes, eine hohe Läsionslast, spinale oder infratentorielle Läsionen und eine quantitative intrathekale Immunglobulinsynthese Argumente für das frühe Einleiten der Immuntherapie. Heutzutage unterscheidet man drei Wirksamkeitskategorien:

  • Kategorie 1: Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo um 30-50 %. Wirkstoffe dieser Kategorie sind β-Interferone (RRMS, SPMS), Dimethylfumarat (RRMS), Glatirameroide (RRMS) und Teriflunomid (RRMS).

  • Kategorie 2: Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo um 50-60 %. Wirkstoffe dieser Kategorie sind Cladribin (hochaktive RRMS), Fingolimod (RRMS) und Ozanimod (RRMS, in den USA auch SPMS).

  • Kategorie 3: Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo um mehr als 60 % oder mehr als 40 % im Vergleich mit Wirkstoffen der Kategorie 1. Dazu gehören Alemtuzumab (hochaktive RRMS), Natalizumab (hochaktive RRMS) und die CD20-Antikörper Ocrelizumab (RRMS und PPMS), Oftatumumab ((RRMS und SPMS) und Rituximab (nur off label).

Die Wahl des Immuntherapeutikums sollte sich nach der Schwere des Verlaufs und der Prävalenz und den Komorbiditäten des Patienten richten. Bei Frauen mit Kinderwunsch sollte Teriflunomid wegen seines teratogenen Potentials nicht eingesetzt werden.

Das Auftreten von schweren Nebenwirkungen ist in Kategorie 1 weniger ausgeprägt als in den Kategorien 2 und 3, aber es kann vorkommen, dass die Verträglichkeit im Alltag für die Kategorie 1 schlechter ist, als für die anderen beiden Gruppen. Einige Präparate wurden inzwischen aufgrund der allgemein schlechteren Verträglichkeit als Reservepräparate eingestuft. Dazu gehören Mitoxantron (hochaktive RRMS), Azathioprin (RRMS) und intravenöse Immunglobuline. MTX und Cyclophosphamid sollten nur als Reserveoption eingesetzt werden, wenn zusätzlich Erkrankungen vorliegen, die durch den Einsatz dieser Wirkstoffe verbessert werden.

Regelmäßige Kontrollen der Krankheitsaktivität sind durch MRT-Kontrollen durchzuführen (zunächst nach 6 Monaten, dann jährlich), wobei Gadolinium-haltige Kontrastmittel nur eingesetzt werden sollten, wenn es um die Detektion eines aktiven Schubes geht, da sich der Wirkstoff im Gehirn ablagern kann (Folgen unbekannt). Auch sogenannte zyklische Kontrastmittel sollten nur sparsam eingesetzt werden.

Über eine Therapieeskalation in die nächste Kategorie sollte entschieden werden, wenn unter der bisherigen Therapie mindestens ein klinisch objektivierbarer Schub, ein solcher Schub und mehr als eine weitere MS-typische Läsion im MRT oder mehr als eine zeitlich unabhängige neue Läsion innerhalb von 2 Jahren auftreten.

Wirkstoffe der Kategorie 2 und 3 sollten bei schlechter Prognose der RRMS oder schweren Verläufen der SPMS sowie PPMS (hier nur CD20-Antikörper) zum Einsatz kommen. Hier sind besondere Sicherheitsaspekte nicht nur bezüglich der Verhütung und Familienplanung in Betracht zu ziehen. Die S1P-Modulatoren (z. B. Ozanimod) weisen ein hohes Rebound-Potenzial nach Absetzen auf. Die Wirkstoffe der Kategorie 3 (v. a. Natalizumab) bergen besonders die Gefahr einer therapieassoziierten progressiven multifolkalen Leukenzephalopathie (PML), komplikativer Verläufe nach einer Therapie mit Alemtuzumab und ein erhöhtes Risiko für infektiöse Komplikationen durch CD20-Antikörper (Rituximab und Ocrelizumab).

Über das Absetzen einer Immuntherapie sollte nachgedacht werden, wenn in höherem Lebensalter die Nebenwirkungen insbesondere des Immunsystems ansteigen. Außerdem kann bei geringer Krankheitsaktivität nach 5 Jahren über eine Therapiepause oder ein Absetzen der Therapie nachgedacht werden. Bei einigen Wirkstoffen (Fingolimod und Natalizumab) sollte jedoch die Gefahr eines Rebound-Effektes bedacht werden. Im Falle einer Deeskalation oder Absetzen der Therapie sollte nach 6 und 12 Monaten und dann jährlich eine MRT-Verlaufskontrolle durchgeführt werden.

Die individuelle Behandlung symptomatischer Beschwerden stellt einen wichtigen Bestandteil der Betreuung von MS-Erkrankten dar. Neben medikamentösen Behandlungen gehören dazu auch Physio-, Ergo- und Psychotherapie, Logopädie, neuropsychologische Therapie und psychosoziale Betreuung. Außerdem Neuromodulation, Hilfsmittelversorgung und multimodale Rehabilitation und Palliativversorgung.

Ernährung und Gifte

Die Einnahme von Vitamin D kann sich bei vorliegendem Mangel positiv auf Verlauf und Schwere von Schüben auswirken. Ein vorliegender Vitamin-D-Mangel sollte daher ausgeglichen werden, wobei 4.000-10.000 I.E. pro Tag als sicher gelten. Bei höheren Dosierungen droht eine Hyperkalzämie die zu Nierenschäden und Osteoporose führen kann.
Ebenso ist eine ausgewogene Ernährung ratsam, die Fett- und Salzarm sein sollte.
Rauchen wirkt sich nachteilig aus.
Bei einem normalen Alkoholkonsum konnten noch keine negativen Einflüsse festgestellt werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Bei MS erkrankten Frauen steigt das Risiko für Infektionen in der Schwangerschaft an. Bis zum dritten Trimenon sinkt die Schubrate, aber bei 30 % der Mütter kommt es innerhalb der ersten 3 Monate nach der Entbindung zu Schüben. Eine Glukokortikoidtherapie (GKS) im ersten Trimenon kann zu Kiefer-Lippen-Gaumenspalten führen, aber danach wird die Therapie eines Schubes mit Methylprednisolon als sicher eingestuft. Stillende Frauen sollten eine Stillpause von 1-4 Stunden einhalten, um die Konzentration des Kortisons in der Muttermilch zu reduzieren.

Kinder und Jugendliche

Ein Schub sollte auch bei Kindern innerhalb von 2-5 Tagen nach Beginn der Syptomatik intravenös mit einmal täglich 20 mg/kg KG Methylprednisolon für 3-5 Tage behandelt werden. Für eine bessere Verträglichkeit sollte auch ein Protonenpumpmenhemmer gegeben werden. Ein bis 2 Wochen später sollte eine Re-evaluierung erfolgen und die Therapie ggf. in gleicher Weise wiederholt werden. Bei gravierenden Symptomen, die sich durch die Steroidpulstherapie nicht bessern sollten zeitnah 5 Zyklen Plasmapherese oder Immunadsorption durchgeführt werden.
Für leichte bis mittelschwere Verläufe der RRMS stehen für Kinder Interferone und Glatirameroide, sowie Teriflunomid (ab 10 Jahren) und Dimethylfumarat (ab 13 Jahren) zu Verfügung.
Für Kinder > 10 Jahre die, unter der Basistherapie Schübe entwickeln oder unter einem sehr aktiven Verlauf leiden, kann Fingolimod eingesetzt werden. Generell ist zu beachten, dass bei einem Wechsel der Therapie aufgrund von nicht tolerierbaren Nebenwirkungen immer abgewartet werden sollte, bis die Nebenwirkungen abgeklungen sind. Die Behandlung sollte dann mit einem anderen Medikament der gleichen Kategorie fortgesetzt werden. Wenn bei Kindern und Jugendlichen eine Immuntherapie gestartet wird, sollte bei Verordnung von Präparaten, die keine Zulassung für diese Altersgruppe haben eine Genehmigung eingeholt werden, um Regressforderungen zu vermeiden.
Die Prognose der MS kann durch eine effektive Therapie in den ersten Jahren der Erkrankung, wenn die Entzündung am stärksten ist, entscheidend verbesssert werden.

Ältere Patienten

Auch bei Erstdiagnosen im höheren Alter, sollte den Patienten eine Immuntherapie angeboten werden, wobei sie engmaschiger auf das Auftreten von Nebenwirkungen wie Infektionen oder kardiovaskuläre Komplikationen hin untersucht werden sollten.

Frühe primär progrediente multiple Sklerose (PPMS)

Die multiple Sklerose (= MS, Enzephalomyelitis disseminata) ist eine immunvermittelte chronisch-entzündliche Erkrankung der Markscheiden (= Myelinscheiden, = “weiße Substanz“) im ZNS. Dabei überwinden körpereigene aktivierte Abwehrzellen wie z. B. Lymphozyten die Blut-Hirn-Schranke und greifen die Markscheiden im Rahmen einer Autoimmunreaktion an. Es kommt zu Demyelinisierungen, die je nach Lokalisation zu neurologischen Symptomen führen. Mittlerweile weiß man, dass auch die graue Substanz (= Nervenzellen) im Verlauf einer MS angegriffen wird.

In Deutschland gibt es derzeit etwa 252.000 Erkrankte (jährlich 16-18 pro 100.000 Neuerkrankungen). Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Diagnose wird meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr gestellt. Damit ist die multiple Sklerose die häufigste neurologische Erkrankung junger Erwachsener. Die Ursache der multiplen Sklerose ist nicht bekannt. Multiple Sklerose ist bislang nicht heilbar. Ziel aller therapeutischen Maßnahmen ist es, die Unabhängigkeit des Patienten im Alltag zu erhalten und die beste erreichbare Lebensqualität zu gewährleisten. Die bestehenden therapeutischen Möglichkeiten lassen sich in die Schubtherapie, die immunmodulierende Langzeittherapie und die Behandlung symptomatischer Beschwerden unterteilen. Ein Schwerpunkt liegt auch auf der Verhinderung von Komplikationen der MS, die beispielsweise infolge der Immobilität des Patienten auftreten können. Die Auswahl der therapeutischen Maßnahmen berücksichtigt immer den individuellen Fall des Patienten. Die volkswirtschaftlichen Kosten belaufen sich bundesweit jährlich auf etwa 4 Milliarden Euro. Die Mortalität (= Sterblichkeit) ist erst bei höhergradiger Behinderung aufgrund direkter Folgen bzw. Komplikationen der Erkrankung erhöht.

Die MS wird in verschiedene Verlaufsformen unterteilt:
  • KIS (klinisch isoliertes Syndrom): Erste Manifestation, die mit der Diagnose einer MS vereinbar ist, bei der aber zur Definition das zeitliche Voranschreiten nicht erfüllt ist. Das räumliche Fortschreiten (räumliche Dissemination) der Läsionen muss aber bereits nachgewiesen sein. Ein KIS zählt definitionsgemäß noch nicht zur Multiplen Sklerose.
  • RRMS (Relapsing Remitting Multiple Sclerosis = schubförmig remittierende MS): Hierbei handelt es sich um die häufigste Verlaufsform, bei der es zur teilweisen oder kompletten Remission der Symptome kommt.
  • SPMS (Sekundäre progrediente MS): Entwickelt sich aus der RRMS mit oder ohne zusätzliche Schübe. Es kommt zu einer schubunabhängigen Progressionsdauer von mindestens 6 bis 12 Monaten.
  • PPMS (primär progrediente MS): Die Behinderung schreitet von Beginn ab voran, wobei auch einzelne Schübe möglich sind.
Die EMA unterteilt nach Verlaufsformen in RMS, PSMS und PPMS. Die RMS beinhaltet die RRMS und die SPMS mit zusätzlichen Schüben.

Das klinisch isolierte Syndrom als Anfangsstadium kann, muss aber nicht vorkommen. Typische Frühsymptome einer MS sind Sensibilitätsstörungen, Gangunsicherheit bzw. eine belastungsabhängige Schwäche in den Beinen oder eine Optikus-Neuritis (= Entzündung des Sehnervs = 2. Hirnnerv) mit plötzlich auftretender Sehschwäche. Die Schwierigkeit der Diagnose MS beim KIS liegt darin begründet, dass die klassischen Kriterien der MS mit räumlicher und zeitlicher Dissemination (= Verteilung) von Entzündungsherden noch nicht bezüglich der zeitlichen Dissemination erfüllt sind und es passiert nicht selten, dass das KIS häufig als solches gar nicht erkannt wird. Trotz der Verbesserung von MRT-Techniken (MRT = Magnet-Resonanz-Tomographie) und mehrfacher Revision der Diagnose-Kriterien vergehen leider immer noch im Schnitt 3,4 Jahre bis zur Diagnosestellung MS.
Bei der schubförmigen MS kommt es zu wiederkehrenden akuten Schüben, deren Symptome sich nach ca. 6-8 Wochen wieder vollständig zurückbilden. Klinisch beginnt die MS bei über 80 % der Patienten mit einem schubförmigen Verlauf. Zur Orientierung sei angegeben, dass bei natürlichem, unbehandeltem Verlauf etwa 1,8 Schübe pro Jahr auftreten.
Eine schubförmig verlaufende MS geht unbehandelt bei mindestens 50 % der Patienten nach durchschnittlich 10 Jahren in eine sekundär progrediente Form über. Bei dieser Verlaufsform bilden sich die Symptome nach einem Schub nicht mehr vollständig zurück, so dass eine (Funktions-)Einschränkung bestehen bleibt, die sich im Verlauf -zum Teil auch unter weiter auftretenden akuten Schüben- weiter verschlechtert.
Ca. 10-15 % der Patienten haben eine primär progrediente Form der MS. Sie beginnt erst in einem höheren Lebensalter als die schubförmige MS. Männer sind bei dieser Form etwa gleich häufig betroffen wie Frauen. Bei dieser Form kommt es ohne einzelne Schübe zu langsam stetig fortschreitenden Behinderungen. Die in der Regel nur wenigen entzündlichen Veränderungen liegen bevorzugt im Rückenmark, so dass die im folgenden beschriebenen Symptome mehr das Gangbild und vegetative Störungen betreffen.

Die Symptomatik bei einer MS ist ausgesprochen vielgestaltig. Da die entzündlichen Läsionen überall in der weißen Substanz vorkommen können, sind sensorische, motorische, vegetative und psychische Symptome möglich, wobei zu Beginn der Erkrankung meist Sensibilitätsstörungen wie Missempfindungen (= Parästhesien), Taubheitsgefühle, Schmerzen und/oder Sehstörungen im Vordergrund stehen. Typisch motorische Störungen sind Lähmungen (= Paresen) der Extremitäten und eine abnorme Erhöhung des Muskeltonus im Sinne einer Spastik, die zu schweren Behinderungen im Alltag und eventueller Rollstuhlpflicht führen. Weitere spezielle motorische Symptome sind eine Ataxie (= Störung der Bewegungskoordination), Tremor, Sprechstörungen (= Dysarthrie), Schluckstörungen (= Dysphagie) oder ein Nystagmus (= Störung der Augenbewegung). Auch zentrale Funktionsstörungen werden bei der MS häufig angetroffen. Ein sehr großes Problem stellt die bei ca. 80 % der MS-Patienten anzutreffende gesteigerte körperliche und geistige Ermüdbarkeit (= Fatigue) dar. Weiterhin können Konzentrationsstörungen, aber auch eine Demenz auftreten. Im Verlauf kann es auch zu psychischen Störungen wie Depressionen und Wesensveränderungen kommen. Häufige vegetative Störungen sind gegebenenfalls symptomatisch zu behandelnde Blasen- und Mastdarmfunktionsstörungen sowie Sexualfunktionsstörungen.

Die Erkrankung MS wird als Ausschlußdiagnose definiert. Für die Diagnostik einer MS sind die Anamnese, bei der nach früher stattgefundenen neurologischen Ereignissen geforscht werden soll, und die Objektivierung der aktuell vorliegenden neurologischen Symptome wichtig. Ein Schub wird definiert als ein neues bzw. wieder auftretendes neurologisches Symptom, das vom Patienten berichtet oder durch eine Untersuchung objektiv feststellbar ist. Dabei muss es mindestens 24 Stunden anhalten, mit einem Zeitabstand von mindestens 30 Tagen zu einem vorausgegangenen Schub auftreten und darf nicht im Zusammenhang mit einer gleichzeitig bestehenden Erhöhung der Körpertemperatur (= Uhthoff-Phänomen) bzw. im Rahmen einer anderen Infektion auftreten. Diese Definition des MS-Schubs ist wichtig, weil sich nach der Anzahl der Schübe die verlaufsmodifizierende Therapie richtet und der Therapieerfolg beurteilt wird. Die Diagnose MS nach/bei einem Schub stützt sich auf den klinischen Nachweis der zeitlichen und örtlichen Dissemination von Läsionen im ZNS, die sich durch keine andere Erkrankung besser erklären lassen als durch eine MS.

Die Therapie der MS unterscheidet sich je nach Stadium bzw. Verlauf. Hinzu kommt eine je nach Situation erforderliche symptomatische Therapie.

Als Standard für die Schubtherapie gilt die intravenöse Gabe von Methylprednisolon (500-1000 mg) über 3-5 Tage schnellstmöglich nach Schubbeginn. Die orale Gabe ist zwar gleichwertig möglich, aber da Methylprednisolon nur in Tabletten mit 40 mg im Handel ist, wären täglich bis zu 25 Tabletten einzunehmen. Je nach Schwere und Dauer der Symptome kann auch eine Plasmapherese oder Immunadsorption erwogen werden, die innerhalb von sechs bis acht Wochen nach Schubbeginn erfolgen sollte.

Von einer immunmodulierenden Langzeittherapie profitieren vor allem junge Patienten mit RRMS, bei denen die Therapie im frühen Stadium der Erkrankung begonnen wird, da sie so den größten Effekt auf das Entzündungsgeschehen hat. Bei älteren Patienten oder den progredienten Verläufen ist sie weniger effektiv. Außerdem steigt bei älteren Patienten das Risiko von Infektionen und Neoplasien im Rahmen der Immunseneszenz an. Trotz der Einführung vieler neuer Wirkstoffe ist man noch nicht in der Lage die MS zu heilen. Bisher lässt sich nur der Verlauf modifizieren, daher ist es ratsam die Therapieentscheidung zusammen mit dem Patienten unter Abwägung des potenziellen Nutzens gegen das Risiko der kurz- und langfristigen Verträglichkeit abzuwägen. Eine Immuntherapie sollte angeboten werden, nachdem mindestens ein klinisch objektivierbarer Schub erfolgt ist, oder MRT-Aktivität in den letzten zwei Jahren zu verzeichnen war. Dabei sind junges Lebensalter, polysomatischer Beginn, schlechte Rückbildung des Schubes, eine hohe Läsionslast, spinale oder infratentorielle Läsionen und eine quantitative intrathekale Immunglobulinsynthese Argumente für das frühe Einleiten der Immuntherapie. Heutzutage unterscheidet man drei Wirksamkeitskategorien:

  • Kategorie 1: Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo um 30-50 %. Wirkstoffe dieser Kategorie sind β-Interferone (RRMS, SPMS), Dimethylfumarat (RRMS), Glatirameroide (RRMS) und Teriflunomid (RRMS).

  • Kategorie 2: Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo um 50-60 %. Wirkstoffe dieser Kategorie sind Cladribin (hochaktive RRMS), Fingolimod (RRMS) und Ozanimod (RRMS, in den USA auch SPMS).

  • Kategorie 3: Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo um mehr als 60 % oder mehr als 40 % im Vergleich mit Wirkstoffen der Kategorie 1. Dazu gehören Alemtuzumab (hochaktive RRMS), Natalizumab (hochaktive RRMS) und die CD20-Antikörper Ocrelizumab (RRMS und PPMS), Oftatumumab ((RRMS und SPMS) und Rituximab (nur off label).

Die Wahl des Immuntherapeutikums sollte sich nach der Schwere des Verlaufs und der Prävalenz und den Komorbiditäten des Patienten richten. Bei Frauen mit Kinderwunsch sollte Teriflunomid wegen seines teratogenen Potentials nicht eingesetzt werden.

Das Auftreten von schweren Nebenwirkungen ist in Kategorie 1 weniger ausgeprägt als in den Kategorien 2 und 3, aber es kann vorkommen, dass die Verträglichkeit im Alltag für die Kategorie 1 schlechter ist, als für die anderen beiden Gruppen. Einige Präparate wurden inzwischen aufgrund der allgemein schlechteren Verträglichkeit als Reservepräparate eingestuft. Dazu gehören Mitoxantron (hochaktive RRMS), Azathioprin (RRMS) und intravenöse Immunglobuline. MTX und Cyclophosphamid sollten nur als Reserveoption eingesetzt werden, wenn zusätzlich Erkrankungen vorliegen, die durch den Einsatz dieser Wirkstoffe verbessert werden.

Regelmäßige Kontrollen der Krankheitsaktivität sind durch MRT-Kontrollen durchzuführen (zunächst nach 6 Monaten, dann jährlich), wobei Gadolinium-haltige Kontrastmittel nur eingesetzt werden sollten, wenn es um die Detektion eines aktiven Schubes geht, da sich der Wirkstoff im Gehirn ablagern kann (Folgen unbekannt). Auch sogenannte zyklische Kontrastmittel sollten nur sparsam eingesetzt werden.

Über eine Therapieeskalation in die nächste Kategorie sollte entschieden werden, wenn unter der bisherigen Therapie mindestens ein klinisch objektivierbarer Schub, ein solcher Schub und mehr als eine weitere MS-typische Läsion im MRT oder mehr als eine zeitlich unabhängige neue Läsion innerhalb von 2 Jahren auftreten.

Wirkstoffe der Kategorie 2 und 3 sollten bei schlechter Prognose der RRMS oder schweren Verläufen der SPMS sowie PPMS (hier nur CD20-Antikörper) zum Einsatz kommen. Hier sind besondere Sicherheitsaspekte nicht nur bezüglich der Verhütung und Familienplanung in Betracht zu ziehen. Die S1P-Modulatoren (z. B. Ozanimod) weisen ein hohes Rebound-Potenzial nach Absetzen auf. Die Wirkstoffe der Kategorie 3 (v. a. Natalizumab) bergen besonders die Gefahr einer therapieassoziierten progressiven multifolkalen Leukenzephalopathie (PML), komplikativer Verläufe nach einer Therapie mit Alemtuzumab und ein erhöhtes Risiko für infektiöse Komplikationen durch CD20-Antikörper (Rituximab und Ocrelizumab).

Über das Absetzen einer Immuntherapie sollte nachgedacht werden, wenn in höherem Lebensalter die Nebenwirkungen insbesondere des Immunsystems ansteigen. Außerdem kann bei geringer Krankheitsaktivität nach 5 Jahren über eine Therapiepause oder ein Absetzen der Therapie nachgedacht werden. Bei einigen Wirkstoffen (Fingolimod und Natalizumab) sollte jedoch die Gefahr eines Rebound-Effektes bedacht werden. Im Falle einer Deeskalation oder Absetzen der Therapie sollte nach 6 und 12 Monaten und dann jährlich eine MRT-Verlaufskontrolle durchgeführt werden.

Die individuelle Behandlung symptomatischer Beschwerden stellt einen wichtigen Bestandteil der Betreuung von MS-Erkrankten dar. Neben medikamentösen Behandlungen gehören dazu auch Physio-, Ergo- und Psychotherapie, Logopädie, neuropsychologische Therapie und psychosoziale Betreuung. Außerdem Neuromodulation, Hilfsmittelversorgung und multimodale Rehabilitation und Palliativversorgung.

Ernährung und Gifte

Die Einnahme von Vitamin D kann sich bei vorliegendem Mangel positiv auf Verlauf und Schwere von Schüben auswirken. Ein vorliegender Vitamin-D-Mangel sollte daher ausgeglichen werden, wobei 4.000-10.000 I.E. pro Tag als sicher gelten. Bei höheren Dosierungen droht eine Hyperkalzämie die zu Nierenschäden und Osteoporose führen kann.
Ebenso ist eine ausgewogene Ernährung ratsam, die Fett- und Salzarm sein sollte.
Rauchen wirkt sich nachteilig aus.
Bei einem normalen Alkoholkonsum konnten noch keine negativen Einflüsse festgestellt werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Bei MS erkrankten Frauen steigt das Risiko für Infektionen in der Schwangerschaft an. Bis zum dritten Trimenon sinkt die Schubrate, aber bei 30 % der Mütter kommt es innerhalb der ersten 3 Monate nach der Entbindung zu Schüben. Eine Glukokortikoidtherapie (GKS) im ersten Trimenon kann zu Kiefer-Lippen-Gaumenspalten führen, aber danach wird die Therapie eines Schubes mit Methylprednisolon als sicher eingestuft. Stillende Frauen sollten eine Stillpause von 1-4 Stunden einhalten, um die Konzentration des Kortisons in der Muttermilch zu reduzieren.

Kinder und Jugendliche

Ein Schub sollte auch bei Kindern innerhalb von 2-5 Tagen nach Beginn der Syptomatik intravenös mit einmal täglich 20 mg/kg KG Methylprednisolon für 3-5 Tage behandelt werden. Für eine bessere Verträglichkeit sollte auch ein Protonenpumpmenhemmer gegeben werden. Ein bis 2 Wochen später sollte eine Re-evaluierung erfolgen und die Therapie ggf. in gleicher Weise wiederholt werden. Bei gravierenden Symptomen, die sich durch die Steroidpulstherapie nicht bessern sollten zeitnah 5 Zyklen Plasmapherese oder Immunadsorption durchgeführt werden.
Für leichte bis mittelschwere Verläufe der RRMS stehen für Kinder Interferone und Glatirameroide, sowie Teriflunomid (ab 10 Jahren) und Dimethylfumarat (ab 13 Jahren) zu Verfügung.
Für Kinder > 10 Jahre die, unter der Basistherapie Schübe entwickeln oder unter einem sehr aktiven Verlauf leiden, kann Fingolimod eingesetzt werden. Generell ist zu beachten, dass bei einem Wechsel der Therapie aufgrund von nicht tolerierbaren Nebenwirkungen immer abgewartet werden sollte, bis die Nebenwirkungen abgeklungen sind. Die Behandlung sollte dann mit einem anderen Medikament der gleichen Kategorie fortgesetzt werden. Wenn bei Kindern und Jugendlichen eine Immuntherapie gestartet wird, sollte bei Verordnung von Präparaten, die keine Zulassung für diese Altersgruppe haben eine Genehmigung eingeholt werden, um Regressforderungen zu vermeiden.
Die Prognose der MS kann durch eine effektive Therapie in den ersten Jahren der Erkrankung, wenn die Entzündung am stärksten ist, entscheidend verbesssert werden.

Ältere Patienten

Auch bei Erstdiagnosen im höheren Alter, sollte den Patienten eine Immuntherapie angeboten werden, wobei sie engmaschiger auf das Auftreten von Nebenwirkungen wie Infektionen oder kardiovaskuläre Komplikationen hin untersucht werden sollten.

Dosierung

Initaldosis:
1 x 300 mg Ocrelizumab i.v. Infusion
Wiederholung nach zwei Wochen

Folgedosen:
1 x 600 mg Ocrelizumab i.v. Infusion alle 6 Monate

Patientenhinweis

Um schwerwiegende infusionsbedingte Reaktionen (IRRs) einzudämmen, muss vor jeder Behandlung ein Glucocorticoid und ein Antihistaminikum gegeben werden.
Beim Auftreten von Atemnot sollte sich der Patient umgehend bemerkbar machen, da die Infusion abgebrochen werden und eine entsprechende Behandlung eingeleitet werden muss.
Blutdrucksenkende Mittel müssen unter Umständen 12 h vor der Infusion abgesetzt werden.

Nebenwirkungen

  Infusionsbedingten Reaktionen (IRRs)

Symptome von IRRs können während jeder Ocrelizumab-Infusion auftreten, wurden jedoch häufiger während der ersten Infusion berichtet.
Zu den Symptomen die mit Infusionsbedingten Reaktionen in Zusammenhang gebracht werden zählen:
Pruritus, Hautausschlag, Urtikaria, Erythem, Flush, Hypotonie, Pyrexie, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Rachenreizung, oropharyngeale Schmerzen, Dyspnoe, Pharynx oder Larynxödeme, Übelkeit, Tachykardie und Überempfindlichkeitsreaktionen.

Vor jeder Behandlung sind Maßnahmen zur Reduktion der Häufigkeit und des Schweregrades von IRRs vorgeschrieben:
  • 100 mg Methylprednisolon i.v. (oder ein Äquivalent) ca. 30 Minuten vor jeder Infusion
  • Ein Antihistaminikum ca. 30 bis 60 Minuten vor jeder Infusion
Ein Antipyretikum kann zusätzlich ca. 30 bis 60 Minuten vor jeder Infusion in betracht gezogen werden.

  Schwere infusionsbedingten Reaktionen

Symptome von IRRs können während jeder Ocrelizumab-Infusion auftreten, wurden jedoch häufiger während der ersten Infusion berichtet.
Zu den Symptomen die mit Infusionsbedingten Reaktionen in Zusammenhang gebracht werden zählen:
Pruritus, Hautausschlag, Urtikaria, Erythem, Flush, Hypotonie, Pyrexie, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Rachenreizung, oropharyngeale Schmerzen, Dyspnoe, Pharynx oder Larynxödeme, Übelkeit, Tachykardie und Überempfindlichkeitsreaktionen.

Vor jeder Behandlung sind Maßnahmen zur Reduktion der Häufigkeit und des Schweregrades von IRRs vorgeschrieben:
  • 100 mg Methylprednisolon i.v. (oder ein Äquivalent) ca. 30 Minuten vor jeder Infusion
  • Ein Antihistaminikum ca. 30 bis 60 Minuten vor jeder Infusion
Ein Antipyretikum kann zusätzlich ca. 30 bis 60 Minuten vor jeder Infusion in betracht gezogen werden.

  Infektionen

Sehr häufig kommt es zu Infektion der oberen Atemwege, Nasopharyngitis und Influenza. Häufig sind Sinusitis, Bronchitis, oraler Herpes, Gastroenteritis, Infektion der Atemwege, virale Infektion, Herpes zoster, Konjunktivitis und Zellulitis.

  Störungen des Blutbildes (auch späte Neutropenie)

Häufig kommt es zu einer Neutropenie.
Außerdem wurde von Fällen von spät auftretenden Neutropenien mindestens 4 Wochen nach
der letzten Infusion von Ocrelizumab berichtet.

Das Hämogramm (Blutbild) stellt die Menge der in einer Blutprobe vorhandenen Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen), Thrombozyten (Blutplättchen) und Retikulozyten (polymorphkernige Blutkörperchen) nebeneinander dar. Beim Differentialblutbild werden sowohl quantitative als auch qualitative Parameter, wie z. B. die Form, mit herangezogen. Neben pathologischen Veränderungen können Abweichungen von den Normwerten auch durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen bedingt sein. Auftreten können u. a.:
  • Leukopenie: Die Gesamtzahl aller Leukozyten (Granulozyten, Lymphozyten, Monozyten) im Blut ist auf unter 5.000/mm³ reduziert.
  • Leukozytose: Die Gesamtzahl aller Leukozyten im Blut ist über 10.000/mm³ erhöht.
  • Granulozytopenie: Verminderung der Anzahl der Leukozyten, insbesondere der neutrophilen Granulozyten.
  • Agranulozytose (perniziöse Neutropenie): Verminderung der Anzahl der Leukozyten (Leukopenie), die Granulozyten können komplett fehlen. Auch die Blutplättchen und das Knochenmark können betroffen sein. Eine Agranulozytose kann sich innerhalb von Stunden ausbilden und geht üblicherweise mit grippeähnlichen Symptomen einher, bei deren Auftreten der Patient darüber aufgeklärt sein muss, dass umgehend eine ärztliche Konsultation erfolgen sollte. Es wird symptomatisch therapiert; Breitbandantibiotika und Granulozyten-Koloniestimulierende Faktoren, wie Filgrastim, werden häufig in der Therapie verabreicht.
  • Eosinophilie: Erhöhung der Anzahl der eosinophilen Granulozyten im Blut. Bei allergischen Reaktionen wie dem Arzneimittelexanthem tritt dies zum Beispiel auf.
  • Thrombozytopenie: Verminderung der Anzahl der Thrombozyten unter 150.000/mm³. Durch den Mangel an Thrombozyten ist die Blutgerinnung gestört und es treten vermehrt Hämatome oder Blutungen auf.
  • Aplastische Anämie: Die Gesamtzahl aller Zellen im Blut ist reduziert (Panzytopenie). Ursache ist eine gestörte Stammzellreifung im Knochenmark.
Grundsätzlich stellen Blutbildveränderungen ernste bis lebensbedrohliche unerwünschte Wirkungen dar, die einer weitergehenden ärztlichen Abklärung bzw. Behandlung bedürfen.

  Krebserkrankungen

In klinischen Studien wurde bei Patienten, die mit Ocrelizumab behandelt wurden, eine erhöhte Anzahl maligner Erkrankungen (einschließlich Mammakarzinom) beobachtet.

  Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML)

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat im August 2022 vor progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML) in Verbindung mit Ocrelizumab gewarnt.

Die Symptome einer PML ähneln anfangs einem akuten MS-Schub und können im Verlauf zu sehr schweren irreversiblen Behinderungen bis hin zum Tode führen.
Dies sind schwere neurologische und psychiatrische Störungen wie z. B. eine progrediente Schwäche auf einer Körperseite, Schwerfälligkeit von Gliedmaßen, Sehstörungen, Veränderungen des Denkens, Gedächtnisses und Orientierung, Verwirrtheit und Persönlichkeitsveränderungen.

Kontraindikationen

Aktive Infektionen

Die Behandlung muss verschoben werden, bis die Infektion abgeklungen ist.

Aktiver Hepatitis-B-Virus

Bei allen Patienten ist vor Beginn der Behandlung eine HBV-Serologie gemäß der lokalen Leitlinien durchzuführen, da eine Reaktivierung des Hepatitis-B-Virus, die in manchen Fällen zu fulminanter Hepatitis, Leberversagen und Tod führte.

Schwer immunsuppremierter Zustand

Der Immunstatus sollte vor der Behandlung überprüft werden, da z. B. Patienten mit Lymphopenie, Neutropenie oder Hypogammaglobulinämie nicht behandelt werden dürfen.

Aktive Malignome

In klinischen Studien wurde bei Patienten, die mit Ocrelizumab behandelt wurden, eine erhöhte Anzahl maligner Erkrankungen beobachtet, daher dürfen Patienten mit bekannter aktiver maligner Erkrankung nicht mit Ocrelizumab behandelt werden.

Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Ocrelizumab bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 18 Jahren sind nicht erwiesen. Es liegen keine Daten vor.

Schwangerschaft und Stillzeit

Ocrelizumab soll während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, der potenzielle Nutzen für die Mutter überwiegt das potenzielle Risiko für den Fötus. Bei Neugeborenen von Müttern, die mit Ocrelizumab während der Schwangerschaft behandelt wurden, sollen die Impfungen mit Lebendimpfstoffen erst durchgeführt werden, wenn sich die B-Zell-Spiegel wieder normalisiert haben.

Daten von Tieren haben ein Übergehen von Ocrelizumab in die Muttermilch gezeigt, daher sind Frauen darauf hinzuweisen, während der Therapie nicht zu stillen.

Wechselwirkungen

  Immunsuppressiva

Mit Ausnahme von Kortikosteroiden zur symptomatischen Behandlung von Schüben wird die gleichzeitige Gabe von Immunsuppressiva und Ocrelizumab nicht empfohlen, da es zu einem Anstieg schwerwiegender Infektionen, einschließlich opportunistischer Infektionen kommen kann.


Immunsuppressiva anzeigen

  Lebendimpfstoffe

Eine Impfung mit attenuierten Lebendimpfstoffen oder Lebendimpfstoffen wird während einer Behandlung und bis zur B-Zell-Repletion nicht empfohlen.

Bei Neugeborenen von Müttern, die mit Ocrelizumab während der Schwangerschaft behandelt wurden, sollen die Impfungen mit Lebendimpfstoffen erst durchgeführt werden, wenn sich die B-Zell-Spiegel wieder normalisiert haben.

Strukturformel

Kommentar

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Wirkmechanismus

Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht geklärt, aber es wird angenommen dass die Immunmodulation über Reduktion der Anzahl und Funktion der CD20-exprimierenden Zellen eine Rolle spielt. Diese B-Zellen aktivieren die T-Zellen, die die Entzündungen im Gehirn und die Schädigungen der Nervenzellen auslösen.
Nachdem die selektive Bindung von Ocrelizumab an die Zelloberfläche der CD20-exprimierenden Zellen erfolgt ist, wird die entsprechende Zelle durch Antikörper-abhängige zelluläre Phagozytose, Antikörper-abhängige zelluläre Zytotoxizität, komplementabhängiger Zytotoxizität und Apoptose aus dem Körper entfernt, wobei die Fähigkeit zur B-Zellen-Rekonstitution (Wiederherstellung von B-Zellen) und die vorbestehende humorale Immunität erhalten bleibt. Die angeborene Immunität und die Anzahl der T-Zellen werden nicht beeinflusst.
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Patientenhinweis

Vor jeder Behandlung sind Maßnahmen zur Reduktion der Häufigkeit und des Schweregrades von infusionsbedingten Reaktionen (Infusion-Related-Reactions = IRRs) vorgeschrieben:
  • 100 mg Methylprednisolon i.v. (oder ein Äquivalent) ca. 30 Minuten vor jeder Infusion
  • Ein Antihistaminikum ca. 30 bis 60 Minuten vor jeder Infusion
Ein Antipyretikum kann zusätzlich ca. 30 bis 60 Minuten vor jeder Infusion in Betracht gezogen werden.

Da während der Infusion eine Hypotonie im Rahmen einer IRR auftreten kann, sollte erwogen werden blutdrucksenkende Medikamente 12 Stunden vor der Behandlung abzusetzen.
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Dosierung

Zur Infusion wird das Konzentrat mit physiologischer Kochsalzlösung zu einer finalen Ocrelizumab-Konzentration von etwa 1,2 mg/ml verdünnt und über einen 0,2 µm Filter appliziert.

Die Schemata zur Infusionsgeschwindigkeit von Initial- und Folgedosen können der Fachinformation entnommen werden.

Vor jeder Behandlung sind Maßnahmen zur Reduktion der Häufigkeit und des Schweregrades von infusionsbedingten Reaktionen (Infusion-Related-Reactions = IRRs) vorgeschrieben:
  • 100 mg Methylprednisolon i.v. (oder ein Äquivalent) ca. 30 Minuten vor jeder Infusion
  • Ein Antihistaminikum ca. 30 bis 60 Minuten vor jeder Infusion
Ein Antipyretikum kann zusätzlich ca. 30 bis 60 Minuten vor jeder Infusion in Betracht gezogen werden.

Beim Auftreten von schwerwiegenden IRRs muss die Behandlung je nach Schwere der IRRs angepasst werden:
  • Lebensbedrohliche IRRs (z. B. akute Überempfindlichkeitsreaktionen oder ein akutes Atemnotsyndrom): Die Therapie muss abgebrochen werden.
  • Schwere IRRs (z. B. Dyspnoe oder Flush, Fieber und Halsschmerzen): Die Infusion ist bis zu einem vollständigen Abklingen der Symptome zu unterbrechen und mit der Hälfte der Infusionsrate fortzuführen.
  • Leichte bis mittelschwere IRRs (z. B. Kopfschmerzen): Die Infusionsrate ist für mindestens 30 Minuten zu halbieren. Danach kann sie bei Toleranz wieder erhöht werden.
Zu beachten ist, dass zwar die Infusionsrate angepasst wird, die Gesamtdosis aber nicht verändert wird.

Die Patienten müssen während und mindestens bis eine Stunde nach der Infusion beobachtet werden.

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Die Wirkstoffprofile gibt es auch zum Download.

Vorteile: Offline verfügbar, Lerntools, Fortbildungen u.v.m.

Mehr erfahren Sie auf www.wirkstoffprofile.de.

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