Semaglutid ist indiziert als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Ernährung und verstärkter körperlicher Aktivität zur Gewichtsregulierung, einschließlich Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung.
Für Erwachsene gilt diese Indikation ab einem BMI > 30 oder bei einem BMI > 27, wenn mindestens eine gewichtsbedingte Begleiterkrankung vorliegt.
Für Jugendliche gilt diese Indikation in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und BMI (BMI-Perzentile > 95).
Die Therapie ist abzubrechen, wenn nach 12 Wochen Behandlung mit 3 mg/Tag nicht mindestens 5 % (bei Jugendlichen 4%) des Ausgangsgewichtes verloren wurden.
Bei der Adipositas handelt es sich um eine Vermehrung des Körperfetts, die über das Normalmaß hinaus geht, wobei man erst ab einem BMI (Body-Maß-Index, Quotient aus Gewicht und Körpergrößer zum Quadrat) von > 30 von Adipositas spricht. Da das Fettverteilungsmuster eine Rolle für das metabolische und kardiovaskuläre Gesundheitsrisiko spielt, ist das viszerale Fettdepot von besonderem Interesse. Bei einem Taillenumfang von mehr als 88 cm bei Frauen und mehr als 102 cm bei Männern spricht man von abdomineller Adipositas.
Als ursächlich gelten familiäre Disposition und genetische Ursachen, der Lebensstil (Bewegungsmangel, Fehlernährung, Essstörung), Schlafmangel und chronischer Stress, depressive Erkrankungen, niedriger Sozialstatus und Bildungsstand, endokrine Erkrankungen und auch Medikamente (u. a. Antidepressiva, Neuroleptika, Antidiabetika, Glukokortikoide, Kontrazeptiva und Betablocker).
Die Prävalenz der Adipositas hat in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen (1998: Männer 18,8 % und Frauen 21,7 %. 2011: Männer 23,3 % und Frauen 23,9 %) und da sie einen Risikofaktor für viele Erkrankungen darstellt, wurde sie im Juni 2020 vom Bundestag als chronisch-rezidivierende Krankheit anerkannt und in der ICD-10 aufgenommen. Die direkten und indirekten Kosten in Zusammenhang mit Adipositas belaufen sich jährlich auf bis zu 45 Mrd. Euro, wobei das meiste davon für die Behandlung von Folgeerkrankungen aufgebracht werden muss. Zusätzliche indirekte Kosten entstehen durch Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit und vorzeitiger Erwerbsunfähigkeit und durch die Kosten, die Angehörigen entstehen, weil sie sich um die Pflege kümmern müssen.
- Eine vorliegende Adipositas erhöht das Auftreten von Rückenschmerzen, Harnwegsinfekten, Urolithiasis und Unfruchtbarkeit sowie das Krebsrisiko um das ein- bis zweifache.
- Koronare Herzkrankheit, Dyslipidämie, Hypertonie, Cholezystolithiasis, Refluxösophagitis und Gicht kommen 2–3-mal häufiger vor.
- Das Risiko an Typ 2 Diabetes mellitus, Gonarthrose, Fettleber oder Schlaf-Apnoe-Syndrom zu erkranken sind mehr als 3-fach erhöht.
Präventionsmaßnahmen umfassen heutzutage Verhaltens- (z. B. Informationen, Beratung) und Verhältnisprävention (gesundheitsförderliches Umfeld schaffen und Förderung körperlicher Aktivität) und werden unterschieden in Individualprävention und bevölkerungsweite Präventionsmaßnahmen (z. B. Besteuerung von zuckerhaltigen Lebensmitteln).
Als Präventionsmaßnahmen sind in erster Linie Bewegungsmaßnahmen (30-60Min/Tag) und regelmäßige Gewichtskontrollen (wöchentlich) ratsam. Außerdem sollte auf eine ausgewogene (nicht einseitige) ballaststoffreiche und regelmäßige Ernährung mit begrenzter Portionsgröße geachtet werden, bei der auf energiedichte Lebensmittel, Fast-food, Alkohol, Rauchen und zuckerhaltige Softdrinks verzichtet werden sollte. Zudem sollte auf regelmäßigen und ausreichenden Schlaf geachtet werden und eine chronisch negative Stressbelastung vermieden werden. Bei Feststellung einer Gewichtszunahme sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Die Vorteile eines Rauchstopps überwiegen die Nachteile einer eventuellen Gewichtszunahme.
Für die Indikationsstellung sollte der BMI, Übergewichtsbedingte Gesundheitsstörungen, stammbetonte Fettverteilung, und Erkrankungen, die durch Übergewicht verstärkt werden, herangezogen werden.
Therapie
Die Therapieziele bestehen in einer langfristigen Senkung des Körpergewichts, um gewichtsbedingte Risiken, Komorbiditäten, Arbeitsunfähigkeit und vorzeitige Berentung zu minimieren. Nach 6 bis 12 Monaten sollte bei einem Ausgangs-BMI von 25-34,9 eine Gewichtsreduktion um 5 % und bei einem BMI von > 35 um 10 % angestrebt werden.
Dazu sollte eine interdisziplinäre Beratung und Betreuung (ggf. in spezialisierten Zentren) mit dem Ziel einer langfristigen Gewichtsstabilisierung erfolgen. Die Gewichtsreduktion sollte stufenweise erfolgen und mit einer moderaten Energiebegrenzung beginnen. Wissenschaftlich evaluierte Gewichtsreduktionsprogramme und digitale Tools (DiGA = Digitale Apidositastherapie) können dazu verwendet werden. Den Patienten sollten die Vorteile der Gewichtsreduktion vermittelt werden und realistische Ziele gesteckt werden, die mit einer regelmäßigen Erfolgsevaluierung und Motivation einhergehen sollten.
Ab einem BMI von >27 und vorliegenden Komorbiditäten oder einem BMI >30 kann zusätzlich eine medikamentöse Behandlung erfolgen. Je nach Komorbidität und Wirkmechanismus können dazu Orlistat (reversibler Inhibitor gastrointestinaler Lipasen), GLP-1-Rezeptoragonisten (Glutide wie Liraglutid, Semaglutid) und SGLT-2-Inhibitoren (Gliflozine, wie Dapagliflozin, Empagliflozin) eingesetzt werden. Ein möglicherweise begleitender Typ 2 Diabetes mellitus sollte mitbehandelt werden.
Da die Patienten sehr häufig zu ihren alten Gewohnheiten und Ernährungsweisen zurückkehren ist ein besonders hoher Stellenwert auf die Langzeitbehandlung und gute psychologische Begleittherapie zu legen, um die dauerhafte Gewichtsreduktion zu gewährleisten.